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Zusammenarbeit mit Angehörigen in Behinderteninstitutionen

Aktualisiert: 7. Mai

Die Zusammenarbeit mit Angehörigen stellt die Mitarbeitenden und die Institutionsleitung in Einrichtungen für erwachsene Menschen mit einer Behinderung immer wieder vor Herausforderungen. Denn häufig findet die Zusammenarbeit statt in einem Spannungsfeld zwischen Mitbestimmung der Angehörigen, welche oftmals auch die rechtlichen Vertretungen sind, und der Selbstbestimmung der Klient*innen.

Oftmals ist die Beziehung zu den Eltern sehr eng und es ist eine Herausforderung, diese nach ihren Vorstellungen einzubeziehen und gleichzeitig die Privatsphäre und die Wünsche der Klient*innen zu respektieren.


Umso wichtiger ist ein fundiertes Konzept, an dem sich sowohl die Mitarbeitenden als auch die Angehörigen, rechtlichen Vertretungen sowie die Klient*innen orientieren können. Dieses dient als Grundlage für die Zusammenarbeit und klärt die Ziele, Haltungen und Rahmenbedingungen.

Leider gibt es, anders als im Alters- und Pflegebereich, aber kaum spezifische Literatur, Handlungsempfehlungen oder Standards, an denen man sich hierbei orientieren könnte. Mit diesem Artikel möchte ich dazu beitragen, diese Lücke zu füllen. 


Zwei Frauen bei einem Meeting an einem Tisch, sprechen ernsthaft. Helle, moderne Büroumgebung mit Fenstern. Logo und URL unten rechts.

Bedeutung der Angehörigen bzw. rechtlichen Vertretungen


Zu den Angehörigen zählen die Eltern, aber auch Geschwister und weitere Verwandte sowie andere Personen, die mit der Klientin oder dem Klienten eng verbunden sind. Oftmals übernehmen Angehörige wie bereits erwähnt eine Doppelfunktion, indem sie gleichzeitig auch die rechtliche Vertretung sind.

Sie verfügen durch ihre langjährige Erfahrung über viele Kenntnisse und Kompetenzen über die Klientin oder den Klienten, die eine wertvolle Ressource darstellen und hilfreiche Hinweise für die Begleitung und Betreuung darstellen. Eine gute Zusammenarbeit zeichnet sich dadurch aus, dass dieses Wissen optimal zugunsten der Klientin oder des Klienten eingesetzt werden kann unter gleichzeitiger Berücksichtigung seiner oder ihrer Wünsche und Privatsphäre.

Häufig ist dies ein Balanceakt, denn das Wissen und das oftmals damit verbundene hohe Engagement bergen auch viel Konfliktpotenzial. Ungelöste Konflikte schaden nicht nur der Reputation bzw. dem Image der Institution, sondern wirken sich auch mittelbar emotional auf die betroffenen Klient*innen aus. Dies kann sich beispielsweise ausdrücken in Verhaltensauffälligkeiten, Wut oder Depressionen. Gelingt es, die Konflikte gemeinsam anzugehen und zu lösen, kann dies massgeblich zur qualitativen Weiterentwicklung und Professionalisierung der Institution beitragen.


Alles gute Gründe, sich proaktiv mit dem Thema Angehörigenarbeit auseinanderzusetzen und wichtige Grundlagen für Struktur und Prozess festzuhalten. 



Austausch und Kontaktpflege


Viele Überlegungen sind analog der Angehörigenarbeit im Alters- und Pflegebereich. Ich fasse sie im Folgenden nochmals kurz zusammen:



Zugrundeliegende Haltung


Es lohnt sich, die zugrundeliegende Haltung zu definieren.

Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitenden, aber auch von den Angehörigen in Bezug auf die Zusammenarbeit?



Information der Angehörigen bzw. rechtlichen Vertretungen


Des Weiteren ist es wichtig festzulegen, welche Informationen auf welchem Weg durch wen und innerhalb von welchem Zeitraum weitergegeben werden.



Gegenseitiger Informationsaustausch, Kontakt-/ Beziehungspflege


Eine gute Zusammenarbeit setzt Informationsaustausch in beide Richtungen voraus. Insbesondere beim Eintritt lohnt es sich, bei den Angehörigen systematisch Informationen abzuholen und zu dokumentieren. Dabei handelt es sich allerdings um einen stetigen Prozess, der danach nicht abgeschlossen ist und im Alltag weitergelebt werden muss.

Um dies zu gewährleisten, sollten entsprechende Massnahmen und Verantwortlichkeiten festgelegt werden.



Beschwerdemanagement


Ein geregeltes Beschwerdemanagement ist zentral, um Konflikte und Spannungen frühzeitig zu lösen und Rückmeldungen konstruktiv zur Weiterentwicklung der Institution nutzen zu können.


Der Prozess und die Verantwortlichkeiten im Beschwerdemanagement sollten transparent und verständlich festgehalten und den Angehörigen bzw. rechtlichen Vertretungen, aber auch den Mitarbeitenden kommuniziert werden. 



Einbezug und Mitbestimmung


Voraussetzung für das Gelingen der Zusammenarbeit ist die Klärung von Erwartungen und Verantwortlichkeiten:

Wie viel Mitbestimmung ist gewünscht? Wo und in welchem Rahmen dürfen Angehörige bzw. rechtliche Vertretungen mitbestimmen? Wo ist die Grenze?


Basis dieser Klärung sollte immer der rechtliche Rahmen sein. Zu diesem gehört das aktuelle Erwachsenenschutzgesetz (im Zivilgesetzbuch, ZGB), das seit 1. Januar 2013 in Kraft ist. Es regelt die behördlichen Massnahmen zum Schutz von erwachsenen Personen, die hilfs- oder schutzbedürftig sind.


Insbesondere folgende Punkte sind ausschlaggebend:



Urteilsfähigkeit


Bei Fragen und Entscheidungen, in denen der Klient oder die Klientin urteilsfähig ist, entscheidet er oder sie grundsätzlich selbst. Der Klient oder die Klientin entscheidet auch darüber, ob und inwiefern die rechtliche Vertretung oder die Angehörigen einbezogen werden sollen.



Definierte Beistandschaft


Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, KESB, errichtet dann eine Massnahme, wenn eine Person nicht in der Lage ist, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen. Dabei wird immer die Wahrung der grösstmöglichen Selbstbestimmung beabsichtigt. Aus diesem Grund werden 4 verschiedene Arten von Beistandschaft unterschieden und darüber hinaus bestimmte Themenbereiche festgelegt, so dass die Massnahme auf die Unterstützungsbedürfnisse der jeweiligen Person abgestimmt ist.

Eine Beistandschaft kann von Angehörigen oder von Professionellen übernommen werden. Diese werden als rechtliche Vertretung bezeichnet. In welchen Angelegenheiten die rechtliche Vertretung unterstützend begleitet oder die Klientin oder den Klienten vertritt, wird im Dispositiv festgehalten.



Höchstpersönliche Rechte


Es gibt höchstpersönliche Rechte, die «einer Person um ihrer Persönlichkeit willen zustehen». Diese Rechte können auch von handlungsunfähigen Personen, zum Beispiel von Personen mit einer umfassenden Beistandschaft oder von minderjährigen Personen, wahrgenommen werden, falls sie urteilsfähig sind. Unter diese höchstpersönlichen Rechte fällt zum Beispiel, das Recht …:

  • … über die religiöse Zugehörigkeit zu entscheiden

  • … medizinischen Behandlungen zuzustimmen

  • … zur Eheschliessung und zur Einreichung einer Ehescheidungsklage

  • … ein Testament zu errichten, zu widerrufen oder einen Erbvertrag abzuschliessen

  • … ein Kind anzuerkennen

  • … auf Sexualität

  • … auf das eigene Foto

 

Die rechtliche Vertretung ist bei solchen Angelegenheiten nicht berechtigt, in Vertretung einer urteilsfähigen Person zu handeln. Ausnahmen können sich höchstens in Notfällen zum Schutz der Person oder Dritter ergeben (z. B. eine medizinisch notwendige Operation) oder bei Kindern bis 18 Jahren auch aus überwiegend erzieherischen Gründen.



Datenschutz und Schweigepflicht


Mitarbeitende sowie die Leitung einer Institution unterstehen der Schweigepflicht. Für einen Informationsaustausch mit Angehörigen bzw. der rechtlichen Vertretung muss eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die Klientin oder der Klient ist urteilsunfähig und die betreffende Angelegenheit liegt offiziell (gemäss Dispositiv) im Zuständigkeitsbereich der rechtlichen Vertretung.

  • Die Klientin oder der Klient stimmt dem Informationsaustausch mit den Angehörigen über die entsprechende Angelegenheit ausdrücklich zu.



Die Klient*innen stehen im Mittelpunkt


Ist der Klient oder die Klientin einer bestimmten Angelegenheit urteilsfähig, dann entscheidet immer sie oder er selbst über die Angelegenheit!

Ein Informationsaustausch findet nur statt, wenn die Klientin oder der Klient das möchte.

Ausnahmen werden dann gemacht, wenn dienstlich gewonnene Kenntnisse ein Tätigwerden der KESB zum Schutz der Klientin oder des Klienten oder einer dritten Person notwendig machen.



Schulung des Personals


Damit die im Konzept festgehaltenen Überlegungen im Alltag gelebt werden, muss das Personal über das notwendige Wissen verfügen und die Haltung verinnerlicht haben. Dazu empfiehlt sich eine solide Einführung und Schulung des Personals im Umgang mit Angehörigen, im Umgang mit Kritik und Beschwerden, den Rollen und Verantwortlichkeiten, der Gesprächsführung und den rechtlichen Rahmenbedingungen.


Conceptera bietet zu diesen Themen auch In-House-Schulungen an, die speziell auf Ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind.



Literatur



Sonja Gross 

Master of Arts in Erziehungswissenschaft

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