Die Frage nach Qualität in sozialen Einrichtungen gewinnt immer mehr an Bedeutung. Qualität ist das neue Ziel sozialer Organisationen. Doch: Was bedeutet Qualität im Sozialbereich? Und aus wessen Sicht wird Qualität festgelegt? Qualität in sozialen Organisationen findet im sozialrechtlichen Dreieck statt Eine allgemeingültige Definition vom Begriff «Qualität» gibt es nicht. Das Qualitätsmanagement-System ISO 9000 erklärt den Qualitätsbegriff als: «Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt» (DIN EN ISO 9000) Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert Qualität als: «Übereinstimmung von Leistungen mit Ansprüchen. Ansprüche stellen Kunden, Verwender (Konsument/Produzent), Händler und Hersteller.» (Gabler Wirtschaftslexikon) In sozialen Institutionen gibt es drei verschiedene Anspruchsgruppen. Das sogenannte "sozialrechtliche Dreieck" stellt sie und ihren Zusammenhang dar. Die drei Ecken setzen sich, entsprechend der Abbildung, wie folgt zusammen: 1. Aus den Leistungsberechtigten bzw. die Klientel, die Anspruch auf eine Leistung haben, 2. dem Leistungserbringer, das ist die soziale Institution, welche die Dienstleistung ausführt und schliesslich 3. dem Leistungsträger, der die Leistung finanziert. Die Institution bzw. der Leistungserbringer, hat mit dem Leistungsträger einen Vertrag, in dem Inhalt, Umfang, aber auch Qualität der Leistung und deren Vergütung festgehalten werden (sog. Leistungsvereinbarung). Aber nicht nur der Leistungsträger, auch die Empfänger der Dienstleistung, die Klient*innen, stellen Ansprüche an die Qualität. Ebenso haben die soziale Institution und ihre professionellen Mitarbeitenden Ansprüche an die Qualität der Leistung. Qualität in sozialen Organisationen findet also im sogenannten sozialrechtlichen Dreieck statt. Ganz im Gegensatz zum profitorientierten Sektor, wo die Kund*innen die Qualitätsstandards setzen. Schon deswegen kann Qualität im Sozialbereich nicht allgemeingültig und objektiv bestimmt werden. Vielmehr handelt es sich um eine subjektive Bewertung des Nutzens durch die Klient*innen, den Kostenträger und aus Sicht der betreuerischen, sozialpädagogischen oder pflegerischen Fachpersonen. Die verschiedenen Anspruchsgruppen haben je eigene, unterschiedliche Vorstellungen und Werte. Schliesslich kann bspw., was für Bewohner*innen wünschenswert ist, aus sozialpädagogischen Überlegungen negativ zu beurteilen sein oder aus der Sicht der Kostenträger zu teuer sein. Deswegen gilt: Qualität ist eine Frage der Perspektive. Dementsprechend kann Qualität unterschiedlich definiert werden. 4 ausgewählte Definitionen von "Qualität" Je nach Sichtweise wird Qualität anders definiert. Im Folgenden möchte ich euch deshalb vier bekannte Definitionen vorstellen. 1) Fünf Sichtweisen von Qualität nach Garvin Nach Garvin (1988) gibt es fünf verschiedene Sichtweisen, wie man Qualität beschreiben kann:
2) Grundsätze des Qualitätsmanagements der ISO 9000:2005 Die ISO enthält einen Mindeststandard an Forderungen, nach dem das Qualitätsmanagementsystem in Unternehmen zu gestalten ist. Danach sind zentrale Dimensionen:
3) Qualitätsdimensionen nach Donabedian (1966) Avis Donabedian hat als einer der ersten den Qualitätsbegriff auf den Gesundheitsbereich übertragen, ursprünglich mit Blick auf die medizinische und pflegerische Versorgung. Er hat Qualität in drei Dimensionen unterteilt: Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität. Die Strukturqualität ... betrifft die strukturellen Bedingungen. Dazu gehören die Voraussetzungen und die gegebenen Rahmenbedingungen, über welche die Institution verfügt. Die Frage, die hier beantwortet wird, ist: Mit welcher Struktur werden die Ziele erreicht?
Donabedian geht davon aus, dass alle drei Qualitätsdimensionen in einem Zusammenhang stehen und sich gegenseitig beeinflussen. Die Strukturen wirken auf die Prozesse und diese bestimmen die Ergebnisqualität, welche wiederum das Planen von Veränderungen bei Prozessen und Strukturen hervorrufen wird. Dabei dient die Struktur als Basis für gute medizinische und pflegerische Leistungen und der Prozessqualität kommt für die Erzielung ebendieser eine hervorgehobene Bedeutung zu. Wegen seiner Anschaulichkeit und Praktikabilität wurde dieses Konzept zunächst in anderen Bereichen des Gesundheitswesens aufgegriffen und wird inzwischen auch im Sozialbereich angewendet. In Deutschland fordert selbst der Gesetzgeber den Nachweis dieser drei Qualitätskriterien. 4) Zentrale Qualitätsdimensionen für die Soziale Arbeit der Hochschule HSA Bern Im Rahmen einer Forschungs- und Entwicklungsarbeit hat die Hochschule für Sozialarbeit Bern (HSA) folgende fünf Aspekte von Qualität für die Soziale Arbeit definiert: 1. Die strategischen Rahmenbedingungen Das heisst, der Auftrag muss geklärt sein und die Strategie festgelegt werden, zum Beispiel anhand von Leistungskatalogen und Leitlinien. 2. Die Fachqualität Die Fachqualität bezieht sich auf die konzeptionelle Klarheit, die systematische Arbeitsweise und Dokumentation. Es müssen Konzepte und Handlungsanweisungen bestehen, welche die Kernprozesse detailliert beschreiben. Die Arbeit muss systematisch reflektiert und dokumentiert werden. Darüber hinaus muss das Leistungsangebot für die Klientel klar sein. 3. Die Managementqualität Ein Managementkonzept muss vorhanden sein. Darin werden Stellen, Aufgaben, Verantwortungen und Zeitbudgets für die Managementfunktionen beschrieben: Strategie- und Zieldefinition, Planung, Organisation, Ressourcensteuerung und -einsatz, Controlling sowie auch die Kontrolle und Entscheidungsfindung im laufenden Alltag. 4. Die Anspruchsgruppenqualität Die Kooperation und der Einbezug der Rückmeldungen der Anspruchsgruppen sind ebenfalls wichtiger Bestandteil, um Qualität herzustellen. 5. Die Mitarbeitendenqualität Dieser Aspekt bezieht sich unter anderem auf die Personalführung, die Personalentwicklung und Mitwirkungsmöglichkeiten des Personals. Qualität ist ein Balanceakt Qualität ist Ziel aller sozialer Organisationen. Nicht umsonst haben Qualitätssicherung und -Entwicklung in den meisten Konzepten ein eigenes Kapitel erobert. Bei der Umsetzung besteht die eine Herausforderung darin, eine Balance zwischen den Ansprüchen an Wirtschaftlichkeit und Qualität zu halten. Ist der Fokus zu stark auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet, so leidet die Qualität. Die andere Herausforderung im Umgang mit Qualitätssicherung ist, dass sich Qualität im sozialen Bereich nicht wie ein Warenstück messen lässt – sie ist nicht berechenbar. Welche Ansätze es zur Entwicklung, Sicherung und Überprüfung von Qualität gibt, darauf gehe ich in meinem nächsten Artikel im März 2019 ein. Literatur und Links INSOS: Nationaler Branchenverband der Institutionen für Menschen mit Behinderung. Online: https://www.insos.ch/ (letzter Zugriff: 1.2.2019). Iseli, Daniel (2003): Qualität: die entscheidende Frage für die Soziale Arbeit? In: sozialaktuell, Neue Praxis. Online: http://www.avenirsocial.ch/sozialaktuell/sozial_aktuell_3080_3083.pdf (letzter Zugriff: 1.2.2019). ISO: International Organization for Standardisation. Online: https://www.iso.org (letzter Zugriff: 1.2.2019). Peterander, Franz/Speck, Otto (Hrsg.) (2004): Qualitätsmanagement in sozialen Einrichtungen. Ernst Reinhardt Verlag. München, Basel. Vomberg, Edeltraud (2010): Praktisches Qualitätsmanagement. Ein Leitfaden für kleinere und mittlere soziale Einrichtungen. Kohlhammer Verlag, Stuttgart.
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Sonja Gross Master of Arts in Erziehungswissenschaft
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