Klientinnen und Klienten, Klient*innen, Klient/innen oder Klient_innen – wie denn nun? Die gendergerechte Schreibweise hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen und inzwischen gibt es unzählige Varianten, gendergerecht zu schreiben. Kein Wunder, dass man dabei schnell den Überblick verlieren kann. In diesem Artikel stelle ich Ihnen die verschiedenen Varianten gendergerechter Schreibung sowie ihre Vor- und Nachteile vor und geben Empfehlungen für die Praxis in sozialen Institutionen. Was ist gendergerechte Sprache? Gendergerechte Sprache bezeichnet eine Sprache, in der die Gleichstellung der Geschlechter zum Ausdruck kommt. Früher wurde ausschliesslich in der männlichen Form geschrieben und gesprochen – zum Beispiel «die Klienten» oder «die Betreuer». Damit wurden Frauen sprachlich nicht sichtbar gemacht und damit oftmals auch gedanklich nicht gleichberechtigt miteinbezogen. Dies ist heute nicht mehr zeitgemäss und gilt teilweise gar als unhöflich und kann sogar missverständlich sein (sind tatsächlich nur männliche Bewohnende gemeint oder auch weibliche?). Dies zeigt, dass Sprache nichts Statisches ist, sondern sich gesellschaftliche Veränderungen auf diese auswirken können. Gleichzeitig ist Sprache wiederum nicht nur Ausdruck gesellschaftlicher Veränderungen und Machtverhältnisse, sondern sie prägt diese umgekehrt auch massgeblich. Denn Sprache beeinflusst – bewusst oder unbewusst – unsere Wahrnehmung, unser Denken und unser Handeln. Deshalb wird von Seiten der Wissenschaft und Politik Wert daraufgelegt, gendergerecht zu schreiben. Der Hinweis «Der Einfachheit halber wird im folgenden Text nur die männliche Form verwendet, weibliche Personen sind mitgemeint» (also die alleinige Verwendung des sog. generischen Maskulins) ist dazu nicht ausreichend. Im Folgenden möchte ich Ihnen verschiedene Möglichkeiten gendergerecht zu schreiben darlegen sowie deren Vor- und Nachteile aufzeigen, um Ihnen eine Empfehlung abzugeben für eine einheitliche Handhabung gendergerechter Schreibungen in Ihrer Institution oder Gemeinde. Übersicht über die Varianten gendergerechter Schreibweise sowie deren Vor- und Nachteile Die folgende Tabelle vermittelt einen Überblick über die gängigsten gendergerechten Schreibweisen. Sie ist unterteilt in die ausgeschriebenen Paarformen, bei denen beide Geschlechter explizit angesprochen werden, in abgekürzte Varianten, bei denen die männliche und die weibliche Form im selben Wort getrennt werden und zuletzt in Varianten, in denen die Geschlechtervielfalt abgebildet wird. Diese sprechen nicht nur männliche oder weibliche Personen, sondern auch Personen weiterer Geschlechter und Zwischenformen an. Daneben gibt es noch weitere Formen wie beispielsweise das generische Femininum. Bei diesem wird immer die weibliche Form geschrieben und davon ausgegangen, dass die männliche Wortform in der weiblichen enthalten ist. Auf diese werde ich in diesem Beitrag nicht weiter eingehen. 1. Ausschreiben «Die Klientinnen und die Klienten haben die Möglichkeit, aus verschiedenen Menüs zu wählen.» Die wahrscheinlich bekannteste und eine der einfachsten Varianten ist, beide Geschlechter auszuschreiben und mit einem «und», «oder» oder «sowie» zu verbinden. In manchen Sprachleitfäden wird festgehalten, dass stets die weibliche vor der männlichen Wortform zu nennen sei. Dies wird auch Titanic-Prinzip genannt, im Sinne von «Frauen und Kinder zuerst!». Dagegen spricht, dass die Frauen damit als das schwächere Geschlecht angesehen werden. Eine andere Möglichkeit ist es, abwechselnd einmal die männliche und ein andermal die weibliche Wortform zuerst zu nennen. Die Vor- und Nachteile sind hier zusammengefasst: 2. Ausschreiben mit Schrägstrich «Die Klientinnen/die Klienten haben die Möglichkeit, aus verschiedenen Menüs zu wählen.» Eine andere Möglichkeit beide Geschlechter auszuschreiben, ist die Trennung mit Bindestrich. Diese Variante empfehle ich nicht, da es den Lesefluss negativ beeinflusst und in barrierefreien PDFs schlecht übersetzt wird. 3. Binnen-I «Die KlientInnen haben die Möglichkeit, aus verschiedenen Menüs zu wählen.» Das Binnen-I ist eine pragmatische und kurze Form, um beide Geschlechter anzusprechen. Früher wurde das Binnen-I vom Duden strikt abgelehnt. Seit 2008 heisst es im Duden nur noch, dass das Binnen-I in der amtlichen Rechtschreibung nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Die Schwierigkeit besteht darin, dass es – wie alle abgekürzten Varianten – manchmal zu inkorrekten Wortformen führt. Möchten Sie beispielsweise schreiben: «Im Zimmer vom KlientenIN … » dann kommen Sie mit dieser Variante an eine Grenze. Die Lösung ist, in diesem Fall entweder beide Formen auszuschreiben – «Im Zimmer von der Klientin oder vom Klienten… » –, oder das Wort zu substantivieren: «In den KlientInnenzimmern…». 4. Trennung mit Schrägstrich «Die Klient/innen haben die Möglichkeit, aus verschiedenen Menüs zu wählen.» Eine weitere pragmatische und kurze Form ist die Trennung mittels Schrägstrich. An dieser Schreibweise wird kritisiert, dass sie Frauen zu einem abtrennbaren Anhängsel degradiert werden. Ausserdem ist umstritten, ob diese Schreibweise grammatikalisch korrekt ist. 5. Trennung mit Schräg- und Bindestrich «Die Klient/-innen haben die Möglichkeit, aus verschiedenen Menüs zu wählen.» Im Unterschied zu der vorherigen Variante wird bei dieser Form ein Bindestrich hinzugefügt, wodurch diese Variante zumindest grammatikalisch korrekt wird. 6. Gender-Gap «Die Klient_innen haben die Möglichkeit, aus verschiedenen Menüs zu wählen.» Nicht alle Menschen identifizieren sich mit dem Geschlecht «Frau» oder «Mann». Denn neben dieser binären Unterteilung gibt es noch andere Geschlechtsidentitäten, die mit Zwischengeschlechtlichkeit oder Transidentität zu tun haben. Um diese ebenso anzusprechen, gibt es den Gender-Gap oder das Gendersternchen. Beide Varianten funktionieren auch im mündlichen Sprachgebrauch. Und zwar wird dazu an der Stelle, an der sich der Gap (oder das Sternchen) befinden, eine Pause eingelegt. Auch automatische Sprachprogramme und barrierefreie PDFs erkennen diese Schreibweise. 7. Gender-Sternchen «Die Klient*innen haben die Möglichkeit, aus verschiedenen Menüs zu wählen.» Das Gender-Sternchen stammt ursprünglich aus der Informatik, wo das Sternchen für eine beliebige Anzahl von Zeichen steht. Damit unterscheidet sich die Bedeutung klar von der des Unterstrichs. Denn der Unterstrich steht lediglich für eine Variable. Damit wird mit dem Sternchen noch klarer, dass es nicht nur ein drittes Geschlecht gibt, sondern zahlreiche unterschiedliche Geschlechterformen. Empfehlung für soziale Organisationen Wie Sie sehen, bringt jede Form Vor- und Nachteile mit sich. So brauchen die ausgeschriebenen Formen relativ viel Platz, die abgekürzten Varianten sind nicht immer lesefreundlich und grammatikalisch korrekt. Welche Variante Sie wählen, hängt davon ab, welche Art von Dokumenten Sie primär verwenden und davon, welche Aussenwirkung sie mit diesen erzielen möchten. Verfassen Sie viele kurze Flyer, so sind die ausgeschriebenen Varianten nicht unbedingt gewinnbringend. Schreiben Sie hingegen vor allem längere offizielle Briefe, dann bietet sich die ausgeschriebene Form an. Trotzdem empfehle ich, dass Sie innerhalb Ihrer Institution für alle internen wie auch extern verwendeten Schriftstücke eine einheitliche Schreibweise festlegen. Von den ausgeschriebenen Varianten empfehle ich die Nummer 1, bei der beide Wortformen mit einem Verbindungswort («und», «oder» etc.) verbunden werden. Wenn Sie sich für eine abgekürzte Variante entscheiden, dann würde ich direkt das Gendersternchen verwenden. Während vor einigen Jahren Abkürzungen mit Schrägstrich noch die verbreitetsten waren, so liegt der Trend im Moment beim Unterstrich und beim Sternchen. Insbesondere vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention und Grundsätzen wie der Nicht-Diskriminierung und Inklusion ist dies ein wertvolles Zeichen! Literatur und Tipps Das Genderwörterbuch. Online: www.geschicktgendern.de (letzter Zugriff: 11.6.2020) Umfassendes Nachschlagewerk des Bundes Geschlechtergerechte Sprache. Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren im Deutschen. 2. Auflage von 2009. Online: www.bk.admin.ch/ (letzter Zugriff: 1.6.2020) Universität Bern, Abteilung für Gleichstellung von Frauen und Männern (2017): Empfehlungen für die Universität Bern. Geschlechtergerechte Sprache. Online: www.gleichstellung.unibe.ch (letzter Zugriff: 1.6.2020) Universität Zürich (2018): Geschlechtergerecht in Text und Bild. Leitfaden. Online: www.gleichstellung.uzh.ch (letzter Zugriff: 1.6.2020)
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Sonja Gross Master of Arts in Erziehungswissenschaft
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