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Neue Wege zum Umgang mit Demenz

25/5/2021

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Demenz - eine stark zunehmendes Phänomen und grosse Herausforderung für Alters- und Pflegeheime. Durchdachte Demenzkonzepte erhöhen nicht nur die Mitarbeiterzufriedenheit, sondern auch die Lebensqualität der Bewohnenden und dienen als Grundlage für die Qualitätssicherung und -entwicklung.

Ich freue mich, dass die Schweizer Gemeinde dieses wichtige Thema aufgenommen und meinen Artikel zum Beispiel des Pflegeheims Lichtblick, der Gemeinnützigen Stiftung Eulachtal in Elgg, diesen Monat veröffentlicht hat.
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Ethik in sozialen Institutionen

6/1/2021

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Elrike ist 35 Jahre alt und hat eine kognitive Beeinträchtigung. Schon seit ihrer Kindheit hat sie Angst vor Wasser und duscht aus diesem Grund nicht gerne. In den letzten Monaten hat die Abneigung gegen das Duschen stark zugenommen – Elrike weigert sich, sich unter fliessendes Wasser zu stellen. Dies führt zu strengem Körpergeruch, aber auch dazu, dass sie sich ständig am Kopf kratzt, weil es sie so juckt.
Was sollen die Fachpersonen tun? Sollen sie Elrike gegen ihren Willen duschen?

Heinz ist 85 und hat fortgeschrittene Demenz. In der Nacht wacht er oft orientierungslos auf. Dabei ist er schon mehrfach aus dem Bett gefallen und hat sich dabei verschiedene Verletzungen zugezogen.
Wäre ein Bettgitter angebracht?

Heidi ist 21 Jahre alt und hat eine kognitive Beeinträchtigung. Gerne möchte sie leben wie andere Gleichaltrige. Besonders geniesst sie es, allein mit dem Bus zu fahren. Dabei hat sie sich schon mehr als einmal verfahren und den Weg nach Hause nicht mehr gefunden. Letzte Woche ist sie von einem Auto angefahren worden, weil sie gedankenlos mitten auf der Strasse spaziert ist.
Die Eltern von Heidi fordern von der Institution, dass diese Heidi nicht mehr allein rausgehen lässt.
Wie soll die Geschäftsleitung entscheiden? 

Alle diese Beispiele haben etwas gemeinsam: Es handelt sich um ethische Dilemmata, die auf Anhieb nicht so einfach zu lösen sind. Jede Institution sieht sich früher oder später mit solchen Herausforderungen konfrontiert. Es macht deshalb Sinn, sich mit den Grundlagen ethischer Entscheidungsfindung auseinanderzusetzen und diese konzeptionell zu verankern. Mit einer solchen Handlungsgrundlage schaffen Sie Klarheit, geben dem Fachpersonal Orientierung und können ihr Handeln begründen und sich im Zweifelsfall rechtfertigen.
In diesem Artikel möchte ich Ihnen einige grundlegende Überlegungen zur Erarbeitung eines Ethikkonzeptes vorstellen. 
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Definition: Was ist Ethik?
Das Wirtschaftslexikon Gabler definiert Ethik wie folgt: «Ethik ist die Lehre bzw. Theorie vom Handeln gemäss der Unterscheidung von gut und böse.» 
Ethik stimmt nicht immer mit den Gesetzen oder der Moral überein. Die Moral beschreibt hauptsächlich Handlungen, die ein Mensch oder eine Gesellschaft von anderen Mitmenschen erwartet und sorgt damit dafür, dass Menschen ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen. Die Moral ist stark abhängig vom jeweiligen Kulturkreis. So gilt es zum Beispiel in der Schweiz als moralisch korrekt, pünktlich zu sein.
 
Ethik (griechisch Ethos = Sitte, Charakter) ist die Lehre vom richtigen Verhalten. Im Unterschied zur Moral geht es in der Ethik darum herauszufinden und zu begründen, welche Handlungsmöglichkeit in einer bestimmten Situation die beste ist.  
Dazu muss zwischen verschiedenen Werten, Gütern, Interessen und/oder zwischen dem Anspruch konkurrierender ethischer Prinzipien abgewägt werden. Eine ethische Entscheidung sollte sich sowohl an den ethischen Prinzipien als auch an Werten und Normen der Gesellschaft orientieren. Die angewandte Ethik befasst sich mit genau dieser Herausforderung in der beruflichen Praxis.

Ethische Dilemmata in sozialen Institutionen
Ethische Dilemmata in sozialen Institutionen bewegen sich häufig im Spannungsfeld zwischen Freiheit, Selbstbestimmung und Teilhabe auf der einen und Sicherheit und Fürsorge auf der anderen Seite.
Angehörige und Institutionen sind bestrebt, dass ihren Kindern bzw. Klient*innen nichts zustösst. Sie sollen gesund sein und bleiben und sich nicht verletzen. Was wäre das wohl für ein Skandal, wenn Heidi beim Autounfall tödlich verunglückt wäre und das, obwohl doch bekannt war, dass sie nicht in der Lage war, den Verkehr adäquat einzuschätzen?
Demgegenüber steht der Wunsch von Heidi, ihr Selbstbestimmungsrecht und die Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention auf Gleichberechtigung und Teilhabe. Einer so jungen Frau zu verbieten, sich allein fortzubewegen, wäre dies nicht massiv hinderlich für ihre Entwicklung und Lebensqualität?
Institutionen bewegen sich in diesem Spannungsfeld zwischen Verantwortung/Sicherheitsdenken und Entwicklungsförderung, in dem ethische Dilemmasituationen vorprogrammiert sind.
Von einem ethischen Dilemma spricht man, wenn sich die Handelnden mehreren, gleichermassen verpflichtenden Forderungen gegenübersehen, welche sich gegenseitig ausschliessen, so dass, egal wie man sich entscheidet, Werte, die es eigentlich zu berücksichtigen gilt, verletzt werden.
Egal welche Entscheidung man trifft – man geht ein Risiko ein und bietet Angriffsfläche für Kritik. Umso wichtiger ist es, dass Sie Ihre Entscheidungen professionell begründen können.

Ethische Prinzipien
Als Grundlage für eine ethische Entscheidungsfindung sind vor allem die 4 «Prinzipien der biomedizinischen Ethik» von Tom L. Beauchamp und James F. Childress als normative Grössen bekannt geworden.
  1. Respekt vor Selbstbestimmung = Autonomie
  2. Vermeidung von potenziellem Schaden = Nicht – Schaden
  3. Bemühung, Wohlbefinden, Sicherheit und Lebensqualität fördern = Gutes tun
  4. Suche nach einer gerechten Verteilung von Nutzen, Lasten und Aufwand = Gerechtigkeit
Curaviva, der Branchenverband der Institutionen für Menschen mit Unterstützungsbedarf, hat in seiner Publikation «Grundlagen für verantwortliches Handeln in Heimen und Institutionen» folgende 8 Grundsätze definiert:
  1. Recht auf Würde   und Achtung
  2. Recht auf Selbstbestimmung
  3. Recht auf Information
  4. Recht auf Gleichbehandlung
  5. Recht auf Sicherheit
  6. Recht auf qualifizierte Dienstleistungen
  7. Recht auf Wachstum der Persönlichkeit
  8. Recht auf Ansehen der Menschen in Heimen und Institutionen

Chancen und Grenzen eines Ethikkonzeptes
Ein Ethikkonzept kann keine Handlungsanleitungen für spezifische Situationen geben. Aber es kann durch das Festhalten allgemein gültiger Prinzipien sowie eines festgelegten Ablaufs der ethischen Entscheidungsfindung in der Institution eine Grundlage für ethisch fundierte Entscheidungen bieten. Damit gibt es dem Fachpersonal Sicherheit und Orientierung, dient als Informationsquelle und Argumentarium gegenüber Klient*innen, Angehörigen und Dritten, dient als zentrales Instrument zur Qualitätssicherung und -weiterentwicklung und ist ein Zeichen für aussenstehende Personen, dass die Institution sich verantwortungsvoll, professionell und transparent mit ethischen Fragestellungen auseinandersetzt.
 
Literatur und Tipps
Beauchamp, T. L. & Childress, J. F.: Principles of Biomedical Ethics. 6th Edition. Oxford University Press 2008

Curaviva (2010): Grundlagen für verantwortliches Handeln in Heimen und Institutionen. Online: www.curaviva.ch.

Schmid, Peter (2011): EPOS – ethische Prozesse in Organisationen im Sozialbereich. Luzern, Curaviva.
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Sonja Gross ​

Auf dieser Seite teile ich mein Wissen zu aktuellen Theorien und Entwicklungen im Sozialbereich.
Ich unterstütze soziale Organisationen und Gemeinden bei der Entwicklung und dem Verfassen von Konzepten und anderen Dokumenten rund um die Begleitung und Betreuung von Kindern, Jugendlichen, älteren Menschen und Erwachsenen mit einer geistigen Behinderung.
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Ich freue mich über Ihre Nachricht: sonja.gross@conceptera.ch

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Zusammenarbeit mit Angehörigen in Alters- und Pflegeheimen

2/11/2020

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Jede Institution sollte sich Gedanken machen und eine fundierte Haltung entwickeln bezüglich ihrer Zusammenarbeit mit den Angehörigen der Klient*innen.
Was sind die Ziele? Was zeichnet gelungene Angehörigenarbeit aus? Wie und durch wen wird sie gestaltet?
Gelungene Angehörigenarbeit trägt massgeblich bei zur Gesundheit der Klient*innen, Anzahl der Neukund*innen sowie zur Zufriedenheit der Mitarbeitenden.
 
Im Umkehrschluss ist eine misslungene Angehörigenarbeit zum Beispiel daran erkennbar, dass die Angehörigen weniger oder nicht zu Besuch kommen, die Angehörigen die Mitarbeitenden nicht ansprechen, viele Beschwerden reinkommen, die Mitarbeitenden schlecht über die Angehörigen sprechen und schliesslich das Image der Institution leidet. 
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 Bedeutung der Angehörigen
Zu den Angehörigen zählen zum Beispiel die (Ehe-)Partner*innen der Klient*innen, ihre Kinder, Enkelkinder, Geschwister und weitere Verwandte sowie andere Personen, die mit der Person eng verbunden sind.
Diese Personen sind für die Klient*innen oftmals das Bindeglied zwischen der jetzigen Lebenswelt und ihrem früheren, vertrauten Leben. Die Kontinuität dieser Beziehung(en) gibt den Bewohnenden emotionale Sicherheit.
Des Weiteren verfügen die Angehörigen durch die langjährigen Beziehungen über viele Kenntnisse und über den Klienten oder die Klientin, die eine wertvolle Ressource darstellen und wichtige und hilfreiche Hinweise für die Pflege und Betreuung des Bewohnenden geben.
Gerade dieses vertiefte Wissen und das hohe Engagement bergen aber auch viel Konfliktpotenzial.
Ungelöste Konflikte schaden nicht nur der Reputation bzw. dem Image der Institution, sondern wirken sich auch mittelbar emotional auf die betroffenen Klient*innen aus. Dies kann sich beispielsweise ausdrücken in Verhaltensauffälligkeiten, Wut oder Depressionen. Gelingt es, die Konflikte gemeinsam anzugehen und zu lösen, kann dies massgeblich zur qualitativen Weiterentwicklung und Professionalisierung der Institution beitragen.
Alles gute Gründe, sich proaktiv mit dem Thema Angehörigenarbeit auseinanderzusetzen und wichtige Grundlagen für Struktur und Prozess festzuhalten.
 
Im Folgenden möchte ich Ihnen einige Themen in Bezug auf Angehörigenarbeit vorstellen, die es sich, aus meiner Sicht, lohnt, näher zu erläutern.

Zugrundeliegende Haltung
Was ist für Sie die zugrundeliegende Haltung?
Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitenden, aber auch von den Angehörigen in Bezug auf die Zusammenarbeit?
Hier gibt es viele verschiedene Ansätze aus der Kommunikationslehre, die in Betracht gezogen werden können. Zum Beispiel: Offenheit, Einfühlungsvermögen, Respekt, Transparenz, Achtsamkeit, Lösungsorientierung oder aktives Zuhören.
Auch wenn sich alle sehr überzeugend und gleichermassen wichtig anhören, macht es durchaus Sinn, sich auf 1 bis 3 Schwerpunkte festzulegen, um diese als Basis für Weiterbildungen, Rückmeldungen im Team, Mitarbeiterziele, aber auch für die Information an die Angehörigen zu verwenden.
 
Information der Angehörigen
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für gelingende Zusammenarbeit ist eine funktionierender gegenseitiger Austausch von Information. Durch regelmässigen Informationsaustausch kann Missverständnissen vorgebeugt werden und eine positive Vertrauensbasis geschaffen werden. Nicht nur über die finanziellen Bedingungen, sondern auch über viele weitere Rahmenbedingungen wie Gestaltungsmöglichkeiten, Erwartungen, Zuständigkeiten, Alltagsabläufe sollte transparent Auskunft gegeben werden. Es gilt also sich zu überlegen, auf welchem Weg die Angehörigen worüber und in welchen Abständen informiert werden.
Die Hauptfragen dazu lauten:
  • Welche Informationen müssen weitergegeben werden?
  • Welche Kanäle sollen dafür genutzt werden?
  • Wer ist verantwortlich?
  • Innerhalb von welchem Zeitraum sollen Informationen weitergegeben werden?
Insbesondere nach dem Eintritt ist eine zuverlässige und lückenlose Information von grosser Bedeutung. Hier lohnt es sich, einen Prozess oder eine Checkliste anzufertigen.
 
Als Medien für die Informationsweitergabe bieten sich unter anderem folgende Mittel an:
  • Informationsbroschüre
  • Zusammenarbeitsvertrag zwischen Angehörigen, Klient*in und der Institution
  • Einführungskurse für «neue» Angehörige: Aufklärung über den Heimalltag und die Heimstrukturen, Ansprechen ihrer Befindlichkeit, Infos über therapeutische/seelsorgerische Angebote sowie die Mitwirkungsmöglichkeiten
  • Jährliche Informationsveranstaltungen
  • Sprechstunden bei einzelnen Mitarbeitenden, bei Abteilungs- und/oder Geschäftsleitung einrichten, zu denen Angehörige kommen dürfen
  • Newsletter
  • Webseite, eventuell mit Log-in-Bereich
 
Wichtig ist immer die zielgruppenadäquate Kommunikation. Die Ausdrucksweise, egal ob mündlich oder schriftlich, sollte unbedingt den Möglichkeiten der Angehörigen angepasst werden.

Gegenseitiger Informationsaustausch, Kontakt-/ Beziehungspflege
Eine gute Zusammenarbeit setzt allerdings einen beidseitigen Informationsaustausch voraus. Insbesondere beim Eintritt lohnt es sich bei den Angehörigen systematisch Informationen abzuholen und zu dokumentieren. Dabei handelt es sich allerdings um einen stetigen Prozess, der danach nicht abgeschlossen ist und im Alltag weitergelebt werden muss.
Um dies zu gewährleisten sind verschiedene Massnahmen denkbar, zum Beispiel:

  • Jahres- und Standortgespräche
  • Regelmässige Einladungen der Angehörigen auf die Wohngruppe zum Essen oder anderen Veranstaltungen
  • Schriftliche Befragungen
  • Oder auch informelle Tür- und Angelgespräche bei den Besuchen
 
Eine weitere Möglichkeit, insbesondere in Institutionen, in denen kein Bewohner*innenrat zustande kommt, beispielsweise aufgrund einer hohen Demenzrate, ist die Gründung eines Angehörigenbeirats. In diesem dienen freiwillige Angehörige als Ansprechpartner*innen für andere Angehörige, indem sie beispielsweise eine «Patenschaft» für neue Angehörige übernehmen. Ausserdem dienen sie als Vermittler bei Konflikten oder können Selbsthilfegruppen organisieren.
 
Beschwerdemanagement
Zu Beginn dieses Artikels habe ich darauf hingewiesen, wie negativ sich Spannungen und Konflikte sowohl auf die Bewohnenden als auch auf die gesamte Institution auswirken können. Durch einen gut geregelten Umgang mit Anliegen und Beschwerden können Konflikte frühzeitig aufgelöst werden und das Entwicklungspotenzial, das für die Institution daraus entsteht, genutzt werden.
Das Beschwerdemanagement sollte möglichst einsetzen, bevor sich die Situation verschärfen kann. Voraussetzung hierfür ist offen zu sein für Kritik und für eine positive Fehlerkultur. Die Institution muss ausdrücklich festhalten und darüber informieren, dass Kritik gewünscht ist und die Haltung vertreten, dass niemand perfekt ist und Fehler passieren können und sogar müssen, um sich weiterzuentwickeln. Auch sollte betont werden, dass es nicht darum geht nach Schuldigen, sondern nach guten Lösungen zu suchen.
Für ein gelingendes Beschwerdemanagement sollte ausserdem transparent für beide Seiten festgehalten werden:
  • Wer ist die Ansprechperson? Wer nimmt die Beschwerden entgegen?
  • Wer bearbeitet sie?
  • In welchem Zeitraum werden sie bearbeitet?
  • Wie erfolgt die Rückmeldung?

Schulung des Personals
Damit die im Konzept festgehaltenen Überlegungen im Alltag gelebt werden können, muss das Personal mitziehen. Dazu empfiehlt sich eine solide Einführung und Schulung des Personals im Umgang mit Angehörigen, im Umgang mit Kritik und Beschwerden, den Rollen und Verantwortlichkeiten sowie der Gesprächsführung.

Quellen und Literatur
Daneke, Sigrid (2010): Achtung, Angehörige! Kommunikationstipps und wichtige Standards für Pflege- und Leitungskräfte. Hannover: Schlütersche.
 
Ugolini, Bettina (2014): Umgang mit Angehörigen: Wie Institutionen der Alterspflege wertschätzend mit Wünschen, Anliegen und Beschwerden von Angehörigen umgehen können – ein Leitfaden. Bern: Curaviva.

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Gute Betreuung in Altersheimen

17/8/2020

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Von der Pflege zu «Pflege und Betreuung»
«Xund, satt, suuber» – Altersheime haben ihre Leistung lange Zeit danach ausgerichtet. Die Pflege stand im Zentrum und es wurde davon ausgegangen, dass es einer Person gut geht, wenn man sie rundum versorgt und sich gut um sie kümmert.
Die Anforderungen haben sich aber, ebenso wie die Definition von Lebensqualität gewandelt. Für eine gute Lebensqualität braucht es mehr als körperliche Versorgung, denn nebst dem körperlichen Wohlbefinden ist auch das psychosoziale Wohlbefinden von grosser Bedeutung. Deshalb reicht heute Pflege allein nicht mehr aus und es braucht Pflege und Betreuung.
«Um auch im Alter selbstbestimmt und gesund zu leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können, müssen Betagte auf Betreuungs- und auf Pflegeleistungen zählen können» (Pardini, Heinzmann, Knöpfel 2020, S. 5).
Neben der körperlichen Gesundheit haben Aspekte wie Selbstbestimmung und Teilhabe an Bedeutung gewonnen. Dazu sind vermehrt Betreuungs- und Begleitleistungen, wie sie in Institutionen aus dem Behindertenbereich erbracht werden, gefragt.
Was bedeutet Betreuung im Kontext von Alters- und Pflegeheimen? Und was macht eine «gute Betreuung» in Alters- und Pflegeheimen aus?
Diese Fragen sollen im Folgenden näher beleuchtet werden. 
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Was bedeutet Betreuung im Kontext von Alters- und Pflegeheimen?
In diesem Zusammenhang interessant sind zwei Grundlagenpapier, die im März und Mai 2020 von der Fachhochschule Nordwestschweiz im Rahmen einer Studie der Paul Schiller Stiftung veröffentlicht wurden. Im ersten Grundlagenpapier gehen die Autor*innen Riccardo Pardini, Claudia Heinzmann und Carlo Knöpfel dem Begriff «Betreuung» im Kontext Alter auf den Grund. Anhand von Literatur- und Internetrecherche untersuchen sie diesen Begriff in Abgrenzung zu weiteren relevanten Begriffen im Altersbereich wie «Care- und Sorgearbeit» oder «Hilfe und Alltagsassistenz».
Betreuung bedeutet ältere Menschen zu unterstützen, wenn sie ihre Bedürfnisse im Alltag aufgrund ihrer Lebenssituation und einer Beeinträchtigung nicht mehr gemäss ihren Vorstellungen selbstständig erfüllen können. Dazu gehört gleichermassen emotionale Unterstützung wie das Zuhören, das Ermöglichen von sozialer Teilhabe oder Unterstützung bei der Alltagsbewältigung wie Waschen, Einkaufen oder Begleit- und Fahrdienste. Die Palette ist breit, denn fast jede unterstützerische Tätigkeit kann Betreuung beinhalten. Im Unterschied zur Pflege ist Betreuung eine Form von Unterstützung, die zum Ziel hat, den Klient*innen trotz ihrer Einschränkungen zu ermöglichen, ihren Alltag selbstständig gestalten sowie am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Selbstbestimmtheit, Wohlbefinden und innere Sicherheit sind zentrale Ziele von Betreuung.

Was ist «gute Betreuung»?
Schon bei der Definition von Betreuung kam zum Ausdruck, worauf diese abzielt. Gute Betreuung rückt neben der physischen Gesundheit die «Funktionale Gesundheit» ins Zentrum. Das Modell der «Funktionalen Gesundheit», entwickelt von der WHO, bildet das komplexe Zusammenspiel zwischen den unterschiedlichen Faktoren in Bezug auf Gesundheit bzw. Beeinträchtigung und Krankheit ab. Es wird davon ausgegangen, dass die Gesundheit nicht nur vom Körper einer Person abhängt, sondern das Ergebnis verschiedener Wechselwirkungen mit der Umwelt darstellt. Gesundheit ist demnach nicht nur das reibungslose Funktionieren des Körpers, sondern beinhaltet auch Aktivität und Teilhabe an der Gesellschaft. Eine gute Betreuung berücksichtigt deshalb nebst dem Erhalt und der Förderung der körperlichen und geistigen Fähigkeiten auch die Lebenswelt und zielt darauf ab, älteren Menschen die Möglichkeit zu geben, ihr Leben möglichst selbstbestimmt und selbstständig zu gestalten sowie an normalen Aktivitäten und an der Gesellschaft teilzuhaben.
Erwin Böhme beobachtete und proklamierte bereits in den 1990er Jahren, dass es für die Lebensqualität älterer Menschen zentral ist, die Selbstpflege und Selbstfürsorge solange wie möglich zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Gute Betreuung sollte also auf «Hilfe zur Selbsthilfe» abzielen.
Allerdings sind nicht alle Aspekte von Lebensqualität universal. Lebensqualität ist subjektiv: Während für die einen ein guter Röstkaffee am Morgen Lebensqualität bedeutet, bedeutet es für die anderen regelmässig zu jassen, Sexualität zu leben oder ans Meer zu fahren. Gute Betreuung kann deshalb nicht für jede Person gleich definiert werden. Stattdessen richtet sie sich an den Bedürfnissen der Person aus.

7 Leitlinien für die Umsetzung
In ihrem zweiten Grundlagenpapier gehen die Autor*innen folgender Frage nach: «Wie muss Betreuung im Alter aus ethischer und menschenrechtlicher Perspektive aussehen?»
Ihre Ergebnisse fassen sie in 7 Leitlinien, die als Anhaltspunkte für die Umsetzung «guter Betreuung» dienen sollen, zusammen. Die Leitlinien umfassen folgende Punkte:
  1. Anerkennung der Menschenwürde und Menschenrechte
    Die ältere Person soll unabhängig ihrer Lebensumstände, Beeinträchtigungen oder Fähigkeiten als Individuum anerkannt und respektiert sowie ihre Rechte geschützt werden.

  2. Ganzheitlichkeit
    Die ältere Person soll ganzheitlich, als soziales Wesen mit individuellen Fähigkeiten, Wünschen und Bedürfnissen, vor dem Hintergrund ihrer eigenen, einzigartigen Lebenswelt wahrgenommen werden.

  3. Haltungsfrage
    Gute Betreuung steht und fällt mit der verinnerlichten Haltung der Fachpersonen. Orientieren sie sich primär an den Ressourcen? Welches Menschenbild vertreten sie?

  4. Beziehungspflege
    Vertrauen ist Voraussetzung für gelingende Betreuung. Dazu ist eine kontinuierliche Pflege der Beziehung unabdingbar.

  5. Bedürfnisorientierung
    ​Die Betreuung richtet sich aus an den Wünschen und Bedürfnissen der älteren Person.

  6. Zeit
    Gute Betreuung bedeutet, sich Zeit zu nehmen.

  7. Gemeinschaftsaufgabe
    Eine kooperative Zusammenarbeit aller Personen im System des Bewohnenden ist Voraussetzung für eine gute Betreuung.

Pflege und Betreuungskonzept
Selbstbestimmung, Teilhabe, Partizipation, Ganzheitlichkeit, Funktionale Gesundheit, Systemische Sichtweise und Bedürfnisorientierung sind zusammengefasst einige der Grundpfeiler für die Betreuung von älteren Menschen.
Mit – neben der Pflege – zunehmender Wichtigkeit der Betreuung steigen auch die Komplexität sowie die Anforderungen an die Fachpersonen.
Nicht nur gelerntes medizinisches Wissen, sondern eine gemeinsame Haltung im Umgang mit den Klient*innen ist gefragt. Dies kann zu Verunsicherung, aber auch zu Konflikten und Unzufriedenheit im Fachteam führen. Es lohnt sich deshalb, die Grundsätze und Ausrichtung der Pflege und Betreuung in einem Konzept festzuhalten sowie fundiert einzuführen, damit alle an einem Strang ziehen. Dies führt nicht nur zu einer höheren Lebensqualität für die Bewohnenden, sondern auch für die Fachpersonen!

Literatur und Tipps
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Böhm, Erwin (2009): Psychobiografisches Pflegemodell nach Böhm. Wien: Maudrich.

CURAVIVA (2014): Lebensqualitätskonzeption. Für Menschen mit Unterstützungsbedarf. Bern: https://www.curaviva.ch/files/P9VUIZ0/lebensqualitaetskonzeption__curaviva_schweiz__2017.pdf  oder
https://www.curaviva.ch/Dienstleistungen/Verlag/PRO3p/?id=2FC538A0-89CB-4B1D-852A432EB6223D56&method=objectdata.detail&p=1&callerid=&keyword=Lebensqualit%C3%A4tskonzeption (Zugriffsdatum 17.8.2020).

Knöpfel, Carlo/Pardini, Riccardo/Heinzmann, Claudia (2020): Wegweiser für gute Betreuung im Alter. Grundlagenpapier 1: Was ist Betreuung im Alter? Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Soziale Arbeit.

Knöpfel, Carlo/Pardini, Riccardo/Heinzmann, Claudia (2020): Wegweiser für gute Betreuung im Alter. Grundlagenpapier 2: Wie muss Betreuung im Alter aus ethischer und menschenrechtlicher Perspektive aussehen? Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Soziale Arbeit.

Knöpfel, Carlo/Pardini, Riccardo/Heinzmann, Claudia (2018): Gute Betreuung im Alter in der Schweiz. Zürich: Seismo Verlag.
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Schuntermann, Michael F. (2013): Einführung in die ICF. Grundkurs – Übungen – offene Fragen. Heidelberg u. a.: Ecomed Medizin.
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Google lanciert 3 innovative Projekte für Menschen mit Behinderungen

14/5/2019

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 An der I/O Entwicklerkonferenz anfangs Mai stellt Google drei neue innovative Projekte vor, die Menschen mit einer Behinderung dabei helfen ein selbstbestimmteres Leben zu führen.​

Die Projekte heissen:
  • Projekt Euphonia (Deutsch: Euphonie, Synonym: Wohlklang, Wohllaut) - um Menschen zu helfen, die nicht gut sprechen können
  • Projekt Relay (Deutsch: Relais, Bedeutung in der Elektrotechnik: automatische Schalteinrichtung, die mittels eines schwachen Stroms Stromkreise mit einem stärkeren Strom öffnet und schliesst) - um Menschen mit einer Hörbehinderung zu helfen
  • Projekt DIVA (steht für DIVersely Assisted, Deutsch: vielfältig unterstützt), um Menschen mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen mittels Google Assistant.

Emil Protalinski beschreibt die drei Projekte auf venturebeat.com wie folgt:
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Projekt Euphonia 
 Das Projekt Euphonia, das sich in einem frühen Forschungsstadium befindet, zielt darauf ab, Menschen mit Sprachbehinderungen eine einfachere Kommunikation zu ermöglichen. Sprachstörungen können durch Entwicklungsstörungen wie Zerebralparese und Autismus oder neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall, ALS (Amyotrophe Lateralsklerose), MS (Multiple Sklerose) oder beispielsweise durch traumatische Hirnverletzungen und Parkinson verursacht werden.

Mit dem Projekt Euphonia will Google die Fähigkeit des Computers so verbessern, dass er Menschen mit Sprachstörungen versteht. Der Computer übersetzt dann ihre Aussagen, so dass sie für alle verständlich sind.
 
Die Anwendungsmöglichkeiten sind im Moment noch begrenzt. Das Programm funktioniert nur für Personen, die Englisch sprechen und Beeinträchtigungen haben, die typischerweise mit ALS verbunden sind. Google ist jedoch zuversichtlich, dass die Studie später auf größere Personengruppen und verschiedene Sprachstörungen angewendet werden kann.
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Im Video sehen Sie den Google-Sprachforscher Dimitri Kanevsky, der Englisch lernte, nachdem er als kleines Kind in Russland taub geworden war, und Steve Saling, bei dem vor 13 Jahren ALS diagnostiziert wurde. Kanevsky verwendet „Live Transcribe“ mit einem benutzerdefinierten Modell, das speziell darauf trainiert ist, seine Stimme zu erkennen. Saling verwendet „Non-Speech-Sounds“, um Smart-Home-Geräte anzusteuern und Gesichtsbewegungen, um bei einem Sportspiel mit zu fiebern.

Live Relay
Menschen, die taub oder schwerhörig sind, kommunizieren häufig über Gebärdensprache oder Chat. Aber was ist, wenn sie die Person, mit der sie sprechen, nicht sehen können und keine SMS verfügbar sind?
Sprachanrufe sind keine Option. Bis der Google-Softwareentwickler Sapir Caduri feststellt, dass sie es doch sind!


„Live Relay“ verwendet die Spracherkennung und die Sprachausgabe auf dem Gerät, damit Ihr Telefon in Ihrem Namen zuhören und sprechen kann. Das Forschungsprojekt ermöglicht es einer sprechenden Person, eine gehörlose oder schwerhörige Person anzurufen. Das Tool wandelt Sprache in Echtzeit in Text um und sendet geschriebene Nachrichten als gesprochene Stimme zurück.
Die Person, die spricht, kann einfach am Telefon sprechen, und die Person, die taub oder schwerhörig ist, kann eine SMS an ihr Telefon senden.


Live Relay nutzt auch die Funktionen "Smart Compose" und "Smart Reply" von Google. Vorausschauende Schreibvorschläge und sofortige Antworten helfen der tippenden Person, mit der Geschwindigkeit eines Sprachanrufs Schritt zu halten.
Wichtig ist, dass Live Relay vollständig auf Ihrem Gerät ausgeführt wird, sodass Ihre privaten Anrufe nicht an Google gesendet werden. Das Tool benötigt keine Datenverbindung (nur Mobilfunk) und verwendet nur Audio. Das bedeutet, dass Live Relay mit jedem eingehenden Sprachanruf von jedem Telefon, einschliesslich Festnetz, funktioniert.
 Google betrachtet Live Relay als Alternative zu Real-Time-Text (RTT) und Relay Services. Live Relay könnte für alle Benutzer*innen nützlich sein. Haben Sie schon einmal einen wichtigen Anruf erhalten, können aber nicht aussteigen und sprechen? Mit Live Relay können Sie diesen Anruf entgegennehmen, indem Sie eingeben, anstatt zu sprechen.
 Google plant sogar, Echtzeit-Übersetzungen in Live Relay zu integrieren, um weitere Kommunikationsbarrieren abzubauen. Damit wäre es möglich jeden auf der Welt anzurufen und zu kommunizieren, unabhängig davon, welche Sprache er oder sie spricht. Die sprechende Person spricht in ihrer bevorzugten Sprache und der Text erscheint in der Sprache des Empfängers und umgekehrt.
Projekt DIVA 
Projekt Diva, das für DIVersely Assisted steht, unterstützt Benutzer*innen bei der Eingabe der Google Assistant-Befehle, ohne ihre Stimme zu verwenden. Eine Person mit nonverbaler oder eingeschränkter Mobilität kann mithilfe eines externen Gerätes Google Assistant-Befehle auslösen.

Das Team untersuchte verschiedene Auslösebefehle. Darunter das Drücken eines grossen Knopfes mit Kinn, Fuss oder sogar einem Biss. Nach monatelangem Brainstorming und Präsentationen in verschiedenen Bereichen der Barrierefreiheit und Technik baute das Team einen Prototyp und gewann einen Innovationswettbewerb für Barrierefreiheit.
Die Lösung war eine Box, in die Sie einen Hilfsknopf über eine 3,5-mm-Buchse einsteckten. Das von der Schaltfläche ausgehende Signal wird dann in einen Befehl umgewandelt, der an den Google-Assistenten gesendet wird.

Mit dem Hilfsknopf ist es nun möglich beispielsweise Musik auf herkömmlichen Geräten abzuspielen, ohne diese direkt bedienen zu müssen. So, wie es Giovanni, der Bruder des Entwicklers dieses Knopfes macht im Video:
In Zukunft soll es mit dieser Technologie auch möglich sein weitere Objekte mit Tags zu versehen und jedem Tag einen Befehl zuzuweisen. Damit wird es beispielsweise möglich mittels einer Cartoon-Puppe einen Cartoon im Fernsehen einzuschalten oder durch eine physische CD Musik auf Ihrem Lautsprecher auszulösen.

Google gibt Entwickler*innen alle technischen Details bekannt, damit sie ihr eigenes Project Diva-Gerät erstellen können!
Ich hatte Gänsehaut beim Lesen dieser tollen Neuigkeiten und freue mich auf die weiteren Entwicklungen. Ich hoffe, es geht Ihnen genau so.

Literatur und Links
Protalinski, Emil (7.5.2019): Google unveils 3 accessibility projects that help people with disabilities online: https://venturebeat.com/2019/05/07/google-ai-accessibility-project-euphonia-diva-live-relay/
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Diese 5 Theorien sollten Sie bei der Begleitung älterer Menschen kennen

22/11/2018

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Sowohl die Gesamtbevölkerung als auch Menschen mit einer Behinderung werden immer älter. Wurden die Menschen mit geistigen Behinderungen 1930 durchschnittlich 20 Jahre alt, so werden sie heute über 70 (vgl. insieme, online).
Damit stellen sich neue Fragen: Wie und nach welchen agogischen Grundsätzen sollen ältere Menschen begleitet werden?
Im Folgenden möchte ich euch gerne die Alterstheorien vorstellen, die in der Literatur massgebliche Bedeutung erlangt haben.
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1. Das Defizitmodell: Älter werden gleich schwächer werden 
Das bekannteste und am meisten kritisierte Modell ist das Defizitmodell der geistigen Entwicklung im Alter. Das Modell lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen.
Die Hypothese lautet:
Der physiologische, psychische und körperliche Allgemeinzustand würde sich im Alter auf allen Ebenen verschlechtern. Dies ist genetisch so bestimmt und der allmähliche Abbau ist unumkehrbar.

2. Die Aktivitätstheorie: Ältere Menschen sind dann glücklich, wenn sie aktiv sind
Die Aktivitätstheorie: Ältere Menschen sind dann glücklich, wenn sie aktiv sind (Tartler, 1961)
Die Aktivitätstheorie besagt, dass der alternde Mensch aktiv sein möchte und soziales Teilhaben anstrebt.
Die Hypothese lautet:
Wer aktiv ist, ist zufrieden. Der Mensch ist nur glücklich und zufrieden, wenn er aktiv ist, etwas leisten kann, Aufgaben hat und gebraucht wird.
Im Gegensatz dazu ist der Mensch, der nicht mehr «gebraucht« wird, der keine »Funktion« mehr in der Gesellschaft hat, unglücklich und unzufrieden. »Optimales Altern« ist somit von der Weiterführung eines aktiven Lebensstils und dem Aufrechterhalten der eigenen sozialen Kontakte älterer Menschen abhängig. Um glücklich zu altern werden die Aktivitäten des mittleren Erwachsenenalters so lange wie möglich beibehalten. Für Aktivitäten, die man wie die Berufstätigkeit aufgeben muss oder für Freunde und geliebte Menschen, die durch den Tod verloren gehen, findet man Ersatz.
In verschiedenen Studien konnte zum Einen bestätigt werden, dass Aktivität positive Auswirkungen auf das Selbstbild älterer Menschen habe. Und zum Anderen wurde nachgewiesen, dass ein positives Selbstbild die wichtigste Voraussetzung für Lebenszufriedenheit und damit für ein »erfolgreiches Altern« ist. 
Diese Theorie wurde bis heute vielfach überarbeitet. Dabei wird vor allem eins deutlich: Damit ältere Menschen zufrieden sind, müssen die gewünschte und die tatsächlich realisierte soziale Teilhabe übereinstimmen.

3. Disengagementtheorie: Ältere Menschen möchten ihre Ruhe (Cumming & Henry, 1961)
Diese Theorie steht als Gegenstück zur Aktivitätstheorie, in der der alte Mensch mit Angeboten, sich aktiv zu beschäftigen, zum Teil überhäuft wird. Übersetzt bedeutet der Begriff Disengagement «Rückzug». Der Rückzug aus gesellschaftlichen und sozialen Verpflichtungen im Alter wird als durchaus normal angesehen. Am deutlichsten wird der Rückzug älterer Menschen beim Austritt aus dem Erwerbsleben. Der Rückzug findet aber immer von beiden Seiten aus statt: die Gesellschaft zieht sich vom Individuum zurück und umgekehrt.
Aktiv bleiben bis ins hohe Alter vereinbart sich nicht mit dem nahen Lebensende. Die Disengagementtheorie wird häufig als direkter Gegenspieler zur Aktivitätstheorie gesehen. Die Entwicklung beider Theorien verlief aber fast gleichzeitig.
In den Überarbeitungen wird deutlich: Lebenszufriedenheit im Alter resultiert aus einer höchst individuellen Auseinandersetzung mit den Veränderungen im sozialen Umfeld. Das Resultat dieser Auseinandersetzung lässt sich nicht bei allen Menschen als soziales Disengagement beschreiben.

4. Kontinuitätstheorie: Es ist wichtig im Alter seine Gewohnheiten aufrechtzuerhalten
Die Kontinuitätstheorie verbindet die Aktivitäts- und die Disengagementtheorie.  
Denn die Hypothese lautet: Menschen möchten auch im Alter ihren Lebensstil aufrecht erhalten.
Dies bedeutet, dass häusliche Menschen auch im Alter zum Rückzug tendieren und diesen als Erleichterung empfinden, während aktive Menschen auch im Alter viele soziale Kontakte benötigen.

5. Kompetenztheorie: Lebensqualität durch die Passung von Person und Umwelt (Bspw. Olbrich, 1987 oder Baltes & Baltes, 1990)
Diese Theorie versteht Altern als dynamischen Anpassungsprozess. Erfolgreiches Altern und Zufriedenheit im Alter wird mit der Passung von Person und Situation in Zusammenhang gebracht. Das bedeutet, die Anforderungen einer Situation müssen mit den Ressourcen der Person übereinstimmen. Dementsprechend wird unter «Kompetenz» die Balance zwischen den Anforderungen einer gegebenen Situation und den individuellen Ressourcen verstanden.
Um eine möglichst optimale Passung mit der Umwelt herzustellen, setzt der ältere Mensch seine individuellen Ressourcen ein. Damit gemeint sind seine eigenen Fähigkeiten, aber auch Unterstützungsleistungen, wie beispielsweise ein Rollstuhl oder das Annehmen der logopädischen Therapie. Eine weitere wichtige Massnahme ist die «Selektion» – darunter verstanden wird die Auswahl von Zielen (vgl. SOK-Modell nach Freund, Baltes, 2002). Das macht den älteren Menschen kompetent – deshalb Kompetenztheorie.
Das Ausnützen der eigenen Ressourcen steht in einem hohen Zusammenhang mit der eigenen Lebensqualität.

«Alt sein ist eine herrliche Sache, wenn man nicht verlernt hat, was anfangen heisst.» Martin BuberSo gegensätzlich die Theorieansätze sind, so unterschiedlich sind wir Menschen. Das Einzige, was uns allen gleich ist, ist, dass wir älter werden.
Sie haben es bestimmt schon vermutet: Wie ältere Menschen optimal begleitet werden sollen, kann deshalb nicht so leicht verallgemeinert werden.

Zusammenfassend können wir jedoch festhalten: Ältere Menschen sollten die Möglichkeit haben, aktiv zu sein, wenn sie das Bedürfnis danach haben und die Möglichkeit sich zurückzuziehen, wenn sie ihre Ruhe wünschen.
Unterstützen Sie ältere Menschen dabei, ihre Lebensgewohnheiten und Routinen soweit als möglich aufrechtzuerhalten.
Helfen Sie ihnen ihre individuellen Ressourcen und Fähigkeiten neu zu entdecken, um mit den Herausforderungen umzugehen. Denn eine hohe Lebensqualität und Zufriedenheit entstehen dann, wenn die eigenen Ressourcen genutzt werden können und die Anforderungen einer Situation mit diesen bewältigt werden können.

Literatur und Links
Cumming, E. & Henry, W.E. (1961). Growing old: the process of disengagement. New York: Basic Books.

Freund, A. M. & Baltes, P. B. (2002). Life-management strategies of selection, optimization, and compensation: Measurement by self-report and construct validity. Journal of Personality and Social Psychology, 82, 642–662.

Fleischmann, Ulrich M. (2000): Gerontopsychologie. Online: https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/gerontopsychologie/5767. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg. Letzter Zugriff: 19.11.2018

Tartler, R. (1961). Das Altern in der modernen Gesellschaft. Stuttgart: Enke.

Insieme: Alt werden. Online: http://insieme.ch/leben-im-alltag/alt-werden (letzter Zugriff: 19.11.2018).

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Sonja Gross

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2 Comments

    Sonja Gross ​

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