Quer essen, viel trinken und ausreichend Bewegung: Die Formel für einen gesunden Körper ist einfach. Trotzdem fällt es uns oft schwer, uns daran zu halten. Weshalb? Stress, Einsamkeit, Langeweile, Unwissen oder psychische, körperliche oder geistige Beeinträchtigungen können das Essverhalten stark beeinflussen. Übergewicht kann aber nicht nur das Wohlbefinden und die Gesundheit eines Menschen, sondern auch sein Selbstvertrauen, seine Selbstständigkeit und seine Beziehungen beeinträchtigen. Es ist daher verständlich, dass Angehörige und Fachpersonen Betreuung Klienten schützen möchten. Doch wie viel darf in das Essverhalten eingegriffen werden? Das Essverhalten ist ein höchstpersönliches Recht Das Essverhalten, wie viel und was ein Mensch essen möchte, gehört zu den höchstpersönlichen Rechten jedes Menschen. Höchstpersönliche Rechte sind solche, die «einer Person um ihrer Persönlichkeit willen zustehen». Diese Rechte können auch von handlungsunfähigen Personen wahrgenommen werden, falls sie urteilsfähig sind. Der rechtliche Vertreter ist bei solchen Geschäften nicht berechtigt, in Vertretung einer urteilsfähigen Person zu handeln. Es gilt demnach in einem ersten Schritt festzustellen, ob der Klient oder die Klientin urteilsfähig ist. Entscheidende Fragen dazu sind:
Nur der Arzt darf eine Diät anordnen Eine Diät kann nur dann gegen den Willen des Klienten umgesetzt werden, wenn er in dieser Angelegenheit nicht urteilsfähig ist und der Arzt eine Diät verordnet. Damit aber noch nicht genug: Es liegt dann in der Verantwortung der rechtlichen Vertretung (vgl. die Kaskade in Art. 378 ZGB), für den Klienten (nach dessen mutmasslichem Willen) über die Umsetzung der Anordnung zu entscheiden. Erst wenn die rechtliche Vertretung mit der ärztlichen Anordnung einverstanden ist, darf sie auch umgesetzt werden. Zwangsmassnahmen, also Durchsetzung gegen den erklärten Willen von solchen Massnahmen, sind nach ZGB nur möglich, wenn eine FU, eine fürsorgliche Unterbringung, besteht und die Zwangsmassnahme als solche medizinisch angeordnet ist (vgl. dazu Art. 434 ZGB.), ansonsten nur in Notfällen und bei Notstandssituationen. Wenn Eltern eine Diät wünschen - Beispiele aus der Praxis Zur Veranschaulichung folgen hier zwei Beispiele: Eltern (die gleichzeitig auch rechtliche Vertretungen sind) geben den Fachpersonen Betreuung einen Zettel, auf dem steht, was der Klient essen darf. In diesem Fall geschieht dies aus religiösen Gründen. Die Eltern erwarten von den Fachpersonen Betreuung, dass sie darauf achten, dass ihr Sohn, der Klient ist, kein Schweinefleisch isst, weil er von sich aus nicht darauf achten würde. Hier gilt: Unabhängig davon, ob der Klient urteilsfähig ist oder nicht, dürfen die Eltern oder rechtliche Vertretung nicht vorschreiben, was ihr erwachsener Sohn essen soll. Denn sowohl die Ernährung als auch die religiöse Zugehörigkeit sind höchstpersönliche Rechte, bei denen die gesetzlichen Vertreter nicht berechtigt sind, in Vertretung der urteilsfähigen Person zu handeln. Die Fachpersonen dürfen demzufolge dem Wunsch der Eltern nicht nachkommen, die Schweinefleischdiät umzusetzen. Falls der Betroffene es ausdrücklich wünscht, können die Fachpersonen ihn darauf hinweisen, in welchen Menüs Schweinefleisch enthalten ist. Und der Klient darf natürlich jederzeit von sich aus darauf verzichten. Die zuständige Bezugsperson ordnet an, dass die Klientin kleinere Portionen erhält, weil sie gesundheitliche Beschwerden bei der Klientin vermutet und aus Sorge, dass durch das Übergewicht weitere gesundheitliche Schäden entstehen können. Hier gilt: Eine Diät kann weder von der rechtlichen Vertretung, von Eltern, noch von Fachpersonen Betreuung angeordnet werden. Eine Anordnung der Diät ist nur dann möglich, wenn die drei folgenden Punkte erfüllt sind: 1. Der Klient ist nicht urteilsfähig. 2. Der Arzt verordnet eine Diät. 3. Die rechtliche Vertretung entscheidet sich für die Umsetzung der ärztlich angeordneten Diät. Aufklärung und eine gesunde Küche Der Spielraum der Institutionen und Fachpersonen ist, was Diäten angeht, klein. Das bedeutet aber nicht, dass sie keine Verantwortung übernehmen müssen. Die Frage, die sich daraus stellt, ist wie? Durch Aufklärung der Betroffenen und über eine gesunde Küche. Es ist wichtig, die Klienten über gesunde Ernährung und über die Konsequenzen einer einseitigen Ernährung und Übergewicht aufzuklären. Ausserdem sollte möglichst kreativ versucht werden, die Personen zu gesunder Ernährung zu motivieren. Ein ausgewogenes Ernährungskonzept der Küche und eine vielseitige, gesunde Menüauswahl tragen zu einer gesunden Ernährung bei. Doch wenn sich eine Person entscheidet, nicht mitzumachen, muss das respektiert werden. «Fachpersonen sind keine Polizisten, sondern Coaches, die Menschen auf ihrem Weg bestmöglich unterstützen» (Lauber 2017, S. 3). Um spätere Konflikte mit Angehörigen zu vermeiden, ist es sinnvoll Eltern und rechtliche Vertretungen schon beim Eintritt in die Institution über Ihre Rechte und deren Grenzen aufzuklären. Literatur und Links Lauber, Beatrice (2017): «Verbote schaffen kein Bewusstsein». In Insos. Online: https://www.insos.ch/assets/Downloads/INSOS-Magazin-1-2017-Ernaehrung.pdf (letzter Zugriff: 03.01.2019) Pro Infirmis: Höchstpersönliche Rechte. Online: https://www.proinfirmis.ch/behindertwastun/erwachsenenschutz/urteilsfaehigkeit-und-handlungsfaehigkeit.html (letzter Zugriff: 03.01.2019)
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Sonja Gross Master of Arts in Erziehungswissenschaft
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