UK - ein Leben lang Unter diesem Motto stand das diesjährige UK-Symposium an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Denn: «Um die kommunikative Situation von Menschen, die in ihrer Laut- und/oder Schriftsprache beeinträchtigt sind, zu verbessern, braucht es ein lebenslanges Engagement von allen.» (FHNW, online). Viele Fachpersonen kamen an diesem Tag in Olten zusammen, um neue Erkenntnisse vorzustellen und sich auszutauschen. Besonders beschäftigt haben mich die Fragen: Was hat sich im Bereich der UK verändert? Was sind Gelingensbedingungen zur Umsetzung von UK? Gerne möchte ich meine Erkenntnisse hier mit Ihnen teilen. UK steht für Unterstützte Kommunikation
UK steht für Unterstützte Kommunikation und hat zum Ziel, allen Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen Kommunikation zu erleichtern. UK ist die deutsche Bezeichnung für das internationale Fachgebiet „Augmentative and Alternative Communication (AAC)“. Übersetzt bedeutet der englische Fachausdruck „ergänzende und ersetzende Kommunikation“. Damit sind alle pädagogischen oder therapeutischen Massnahmen gemeint, die fehlende Lautsprache ergänzen oder ersetzen, um die kommunikativen Möglichkeiten zu erweitern. Die Massnahmen reichen von einfachen Gesten, Bildern, grafischen Symbolen, Gebärden bis hin zu technischen Kommunikationshilfen mit künstlicher Sprachausgabe. Die Wichtigkeit von UK wächst – gefordert sind die Geschäftsleitungen Mit ca. 300 Teilnehmenden war das UK-Symposium restlos ausgebucht. Das ist ein Hinweis auf das grosse Interesse und die wachsende Wichtigkeit von UK. Gabriela Antener, Professorin an der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW in Olten, erklärt im Einstiegsreferat, dass die Zahl der Menschen, die UK brauchen, in den letzten 20 bis 30 Jahren angestiegen ist. Dies aus drei Gründen: Erstens durch die bessere medizinische Versorgung, zweites durch die gestiegene Lebenserwartung und drittens, weil der Nutzen von UK für breitere Gruppen erkannt worden ist. Tatsächlich ist die Zielgruppe von UK sehr heterogen in Bezug auf das Alter und die Lebenssituation, Zeitpunkt und Dauer der Kommunikationsbeeinträchtigung sowie die Fähigkeiten und Beeinträchtigungen. Beispielsweise kann UK bei Kindern oder Erwachsenen eingesetzt werden, die mit einer geistigen Behinderung auf die Welt gekommen sind und die Sprache von Grund auf am Lernen sind. Aber auch Menschen mit Demenz, deren aktiver Wortschatz sich reduziert hat, oder Menschen mit Aphasie nach einer Hirnverletzung profitieren von den Methoden und Hilfsmitteln der UK. Dorothea Lage, ebenfalls Professorin an der Fachhochschule Nordwestschweiz und auch bekannt als «Miss UK» beobachtet, dass UK immer mehr ein Managementthema ist. Organisationen beschäftigen sich immer mehr mit der Frage, wie UK sinnvoll und längerfristig integriert werden kann. Denn viele Kantone haben in ihren Gesetzen zur Betreuung das Thema «Teilhabe» und die Orientierung an der BRK drin, was UK automatisch zu einer Verpflichtung macht. In erster Linie sind in den Organisationen die Geschäftsleitungen für die Einführung und Etablierung von UK in ihrer Institution verantwortlich. Deswegen sagt Dorothea Lage: UK ist Chefsache! Und betont, es sei an der Zeit, dass Chefs aktiv werden, denn noch immer haben viele Menschen keinen Zugang zu UK. Die BSV-Studie zeigt: UK-Zuständige in den Institutionen haben zu wenig Ressourcen und Kompetenzen Das BSV (Bundesamt für Sozialversicherungen) hat 2016 eine Studie zum Thema UK veröffentlicht, in der es darum ging, die Abgabe von Kommunikationsgeräten an Versicherte der Invalidenversicherung zu untersuchen. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Kommunikationsgeräte wichtig sind, um den Betroffenen die Teilhabe in der Gesellschaft zu ermöglichen. Allerdings zeigte sich auch, dass die Nutzung der Geräte nach Austritt aus der Sonderschule tendenziell abnimmt. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Unterstützung in den Erwachseneninstitutionen aufgrund knapperer Ressourcen und weniger geschultem Personal schwächer ist und dies dazu führt, dass Betroffene weniger Unterstützung bei der Nutzung ihres Kommunikationsgerätes erhalten. Die Zuständigkeit für UK ist in den Institutionen sehr unterschiedlich organisiert. In fast der Hälfte der befragten Institutionen sind eine oder mehrere Personen im Betrieb offiziell für die UK zuständig (40%). Bei den meisten ist die Zuständigkeit breiter verteilt und wird jeweils fallbezogen, beispielsweise durch die Bezugsperson, für die einzelnen Klienten/Klientinnen wahrgenommen (55%). In einigen der befragten Institutionen gibt es zudem eine Arbeitsgruppe oder ein ähnliches Austauschgefäss (35%) und wenige Institutionen (ca. 10%) verfügen über eine UK-Fachstelle. Bei der Abgabe von Kommunikationsgeräten spielen die UK-Zuständigen der Institutionen eine wichtige Rolle. Zum einen können sie gewährleisten, dass das richtige Kommunikationsgerät abgegeben wird, weil sie den Betroffenen gut kennen. Zum anderen können sie die Nachhaltigkeit des Gebrauchstrainings sicherstellen bzw. die Versicherten nachhaltig bei der Verwendung der Kommunikationsgeräte unterstützen. Problematisch ist, dass viele UK-Zuständige im Interview angeben, dass sie nicht über die notwendigen Ressourcen verfügen, um sich stärker engagieren zu können. Nur etwas mehr als die Hälfte gibt an, die technischen Geräte selber bedienen zu können und weniger als die Hälfte traut sich ein Gebrauchstraining zu. Um Abklärungen vorzunehmen, fehlt es den meisten UK-Zuständigen an Kenntnissen zu den aktuellen Entwicklungen (vgl. Bundesamt für Sozialversicherungen, BSV, 2016, S. 49-54). Für die erfolgreiche Umsetzung braucht es das Engagement von allen: Modelling Monika Waigand erklärte im Einstiegsreferat, wie Kinder normalerweise Sprache erwerben: Babys hören ständig und überall Wörter. Die Eltern sprechen mit ihm, das Kind hört unterwegs andere sprechen, es hört Sprache im Radio und im Fernseher usw. Es hört so ca. 4‘000 Wörter täglich. Die Sprache wird nicht gezielt beigebracht, sondern entwickelt sich beim täglichen Kommunizieren miteinander automatisch. In der Regel ist dies ganz anders bei einem Kind, das keine Lautsprache kann und UK unterstützt wird. In Förderstunden wird dem Kind beigebracht, wie es kommunizieren könnte. Ausserhalb der Förderstunden spricht die Umwelt aber eine andere Sprache – die Lautsprache. Was wäre, wenn dem Kind mit UK pro Tag 4‘000 Bilder gezeigt würden und alle in seinem Umfeld mit UK kommunizieren würden? Frau Waigand fordert die gleichen förderlichen Rahmenbedingungen für Kinder mit UK wie für Kinder, die lautsprachlich aufwachsen und lernen. Das Stichwort hierzu heisst: Modelling. Modelling bedeutet, dass Bezugspersonen eine Kommunikationshilfe ebenfalls mitbenutzen. Sie werden damit zum Vorbild bzw. Modell für den Nutzer oder die Nutzerin. Wesentliche Prinzipien des Modelling sind nach Frau Waigand: Der Einsatz erfolgt ohne Voraussetzungen des UK-Nutzenden: Dieser muss die Symbole oder Begriffe weder verstanden haben noch dem Kommunikationspartner/der -partnerin aufmerksam folgen. Die Kommunikation mit dem Hilfsmittel erfolgt nicht in künstlich arrangierten Settings, sondern im Alltag. Kommunikation mit dem Hilfsmittel findet so immer und überall statt. Schlussfolgerung: Die Zukunft von UK in den Institutionen UK gewinnt an Bedeutung. Einerseits durch die fortschreitende Technik und die neuen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. Andererseits aber auch, weil die Zielgruppe zugenommen hat und noch mehr zunimmt: Dies dadurch, dass es tatsächlich mehr Menschen gibt, deren Lautsprache beeinträchtigt ist, aber auch, weil immer mehr erkannt wird, dass UK für eine sehr grosse und unterschiedliche Gruppe von Menschen eingesetzt werden kann. Nicht zuletzt aber auch durch die jüngsten Gesetze, die Teilhabe fordern und vor dem Hintergrund der unterzeichneten Behindertenrechtskonvention. Gefordert ist nun in erster Linie das Engagement der Geschäftsleitungen, die verantwortlich sind, dass UK in ihrer Institution eingeführt und etabliert wird und sie die dafür nötigen Ressourcen zur Verfügung stellen. Gefragt sind nicht nur Geschäftsleitungen von Institutionen für Menschen mit Behinderungen, sondern auch von Altersheimen. Bei der Etablierung ist das Erstellen eines UK-Konzeptes und darin auch die Festlegung der UK-Verantwortlichen und der dafür vorgesehenen Ressourcen ein wichtiger Schritt. Grossgruppenmethoden, sog. Konferenzen, in denen ein gemeinsames Anliegen gefunden und eine gemeinsame Basis geschaffen wird, können dabei hilfreich sein. Wie die BSV-Studie gezeigt hat, ist es für den erfolgreichen Einsatz der UK-Hilfsmittel von grosser Bedeutung, dass die UK-Verantwortlichen darin in Zukunft noch besser geschult werden. Darüber hinaus sollten aber auch alle weiteren Mitarbeitenden der gesamten Institution und soweit möglich des weiteren sozialen Umfeldes im Umgang mit den UK-Hilfsmitteln geschult werden, damit alle die UK-Sprache sprechen können. Nur so kann der Nutzende auch tatsächlich Fortschritte in seinen kommunikativen Fähigkeiten machen. Ausserdem ist eine sorgfältige Absprache mit der vorhergehenden Institution bedeutsam, da sich gezeigt hat, dass beim Übertritt von der Sonderschule in eine Einrichtung für Erwachsene die Nutzung von UK oftmals abnimmt. So kann UK zur Teilhabe an der Gesellschaft und zur Selbstbestimmung genutzt werden, und zwar ein Leben lang! Literatur und Links: Active Communication AG: UK-Symposium 2018. Online: http://www.uk-symposium.ch/pages/beitraege-2018.php (letzter Zugriff: 16.9.2018) Claudio Castañeda und Monika Waigand (2016): Ein Weg für jeden?! Modelling in der Unterstützten Kommunikation. Online: http://www.ukcouch.de/wp-content/uploads/2016/09/ModellingCastanedaWaigandk.pdf (letzter Zugriff: 16.9.2018) Bundesamt für Sozialversicherungen BSV: Analyse der Abgabe von Kommunikationsgeräten an Versicherte der Invalidenversicherung. Online: https://www.bsvlive.admin.ch/praxis/forschung/publikationen/index.html?lang=de&lnr=13/16&iframe_style=yes#pubdb (letzter Zugriff: 16.9.2018) Dorothea Lage und Solveig Steiger (2018): Gelingensbedingungen für die nachhaltige Verankerung von UK in Organisationen der Behindertenhilfe. Online: https://www.brühlgut.ch/wohnen-arbeiten/unterstuetzende-angebote/unterstuetzte-kommunikation (letzter Zugriff: 16.9.2018)
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Sonja Gross Master of Arts in Erziehungswissenschaft
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