Hunde und Katzen sind immer häufiger anzutreffen in Einrichtungen, Schulen und bei Therapien. Doch weshalb genau? Was wird unter tiergestützter Pädagogik, Therapie und Aktivierung verstanden und was bewirkt sie? Diese Fragen werden im Folgenden beantwortet. Ausserdem wird näher auf den Therapie- bzw. Begleithund eingegangen. Was ist tiergestützte Pädagogik, tiergestützte Therapie und tiergestützte Aktivierung? Tiergestützte Pädagogik ist ein Ansatz der Pädagogik, bei dem Tiere in den Lernprozess integriert werden. Hierbei wird von speziell qualifiziertem Fachpersonal eine zielgerichtete, geplante und strukturierte Interaktion zwischen den Kindern oder Jugendlichen und den Tieren durchgeführt. Sind die Klient*innen erwachsen, wird anstatt von tiergestützter Pädagogik von tiergestützter Therapie oder Aktivierung gesprochen. Als Überbegriff wird in diesem Artikel der Begriff „tiergestützte Interventionen“ verwendet. Für tiergestützte Interventionen können unterschiedlichste Tiere eingesetzt werden. Zurzeit werden nebst Hunden am häufigsten Pferde, Katzen, Kaninchen oder Meerschweinchen eingesetzt. Empirische Studien haben gezeigt, dass die tiergestützte Intervention ein vielversprechender Ansatz ist, um Lernprozesse zu unterstützen. Welche Wirkung haben Tiere auf den Menschen? Mensch und Tier gehören entwicklungsgeschichtlich zusammen. Die Beziehung zu Tieren wirkt sich positiv auf das physische und psychische Wohlbefinden des Menschen aus und hat einen starken positiven sozialen Effekt. In zahlreichen Studien konnten die vielfältigen positiven Wirkungen von Tieren auf den Menschen nachgewiesen werden. So kann das Streicheln von Hunden oder das Striegeln von Pferden eine physiologische und emotionale Wirkung haben, indem es den Blutdruck und die Herzfrequenz positiv beeinflusst und die Ausschüttung verschiedener Glückshormone anregt, was zu mehr innerer Ruhe und einer positiveren Emotionalität führt. Ein Tier kann depressive Stimmungen aufheben, indem es mit seiner Spontanität und Freude die Lebenslust vom Menschen positiv beeinflusst. Aus den emotionellen Lerntheorien ist bekannt, dass eine positive Emotionalität eine wichtige Grundvoraussetzung für gelingendes Lernen und Aufnahmebereitschaft darstellt. Aber auch motorische Fähigkeiten können durch den Einsatz von Tieren gefördert werden – so haben beispielsweise Personen mit motorischen Problemen, die regelmäßig mit Pferden arbeiteten, eine deutliche Verbesserung ihrer motorischen Fähigkeiten festgestellt. Der Umgang und Einbezug von Tieren haben aber auch eine soziale Wirkung. Tiere fördern den sozialen Zusammenhalt unter anderem damit, dass sie Gesprächsstoff und ein gemeinsames Interesse liefern. Ausserdem ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Anwesenheit von Tieren die Harmonie bei zwischenmenschlichen Problemen erhöht und Tiere zum Beispiel in Schulklassen zur Förderung von Rücksichtnahme, Kompromissbereitschaft und Hilfsbereitschaft beitragen. Darüber hinaus kann der Umgang mit Tieren auch eine mentale und psychologische Wirkung entfalten. Eine positive Beziehung zwischen Mensch und Tier kann das Selbstwertgefühl sowie die Selbstwirksamkeit erhöhen. Spürt die Person, dass sie gebraucht wird und Verantwortung übernehmen muss, werden neue Kompetenzerfahrungen ermöglicht. Tiere haben also nicht nur eine positive Wirkung auf den Körper, die Psyche und den Geist, sondern auch auf das soziale Miteinander. Wie werden zum Beispiel Therapie-, Schulbegleit- oder Besuchshunde eingesetzt? Therapie-, Schulbegleit- oder Besuchshunde können in den unterschiedlichsten Kontexten eingesetzt werden – sowohl in Schulen als auch in Behinderteninstitutionen, in Pflegeheimen oder Kliniken. Die Hunde beispielsweise können bei der Integration von Kindern mit Autismus helfen oder Senior*innen dabei unterstützen, ihre Mobilität und Selbstständigkeit zu erhalten. Hunde als pädagogische oder therapeutische Begleiter wirken ausserdem häufig als Türöffner, sie erleichtern die Kontaktaufnahme und beschleunigen die Bildung einer Vertrauensbasis. Damit tragen die Tiere wesentlich zum Beziehungsaufbau sowie zu einem positiven Gruppenklima und zum Wohlbefinden der Klient*innen oder Patient*innen bei. Je nachdem für welche Aufgaben sie eingesetzt und durch wen sie begleitet werden, nennt man diese Therapie-, Schulbegleit- oder Besuchshunde. Auch wenn es hilfreich wäre, so gibt es für diese derzeit noch keine einheitliche Definition oder Ausbildung. Wo sind die Grenzen und was muss bedacht werden? Die Vorteile von tiergestützten Interventionen liegen also klar auf der Hand und es gibt immer mehr Einrichtungen, die Tiere, insbesondere Hunde, mit grossem Erfolg einsetzen. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass diese Form der Intervention keine Wunderwaffe ist und sie auch ihre Grenzen hat. So ist es beispielsweise wichtig, dass die Tiere gut ausgebildet und bei guter Gesundheit sind und professionell begleitet werden. Auch muss man bedenken, dass nicht jede Person auf Tiere gleich positiv reagieren wird – so können beispielsweise Personen mit einer Tierhaarallergie oder anderen Allergien nur begrenzt an solchen Programmen teilnehmen. Wichtig ist in jedem Fall, dass die Tiere, insbesondere Hunde, und ihre Begleitperson eine entsprechende Ausbildung absolviert haben. Deswegen sollte die Einrichtung in einem „Konzept hundegestützte Pädagogik“ die Bedingungen des Tiereinsatzes wie Voraussetzungen, Dauer, Hygiene, finanzielle Fragen, Einsatzzeiten und Versicherungen genau klären und regelmässig prüfen. Überlegen Sie in Ihrer Einrichtung tiergestützte Interventionen einzusetzen? Oder möchten Sie den Einsatz der Tiere in Ihrer Einrichtung professionalisieren? Dann nehmen Sie Kontakt mit mir auf.
0 Kommentare
Gestern erschienen in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift ARTISET ist mein Artikel über die innovative Tagesstruktur ohne Lohn der Stiftung zuwebe. Ich bin stolz und hoffe, dass dieses tolle Beispiel ganz viele Institutionen inspiriert. Hier geht`s zur kompletten Ausgabe: Magazin ARTISET_9-2022_Politische Partizipation Seit dem 1. Januar 2022 gehören die Branchenverbände CURAVIVA, INSOS und YOUVITA zur Föderation ARTISET.
Ich freue mich und bin stolz, dass CONCEPTERA Mitglied des Beraternetzwerkes von ARTISET ist und einen aktiven Beitrag leisten kann in den Themen Konzeptentwicklung, Qualitätsmanagement, Personalschulung und Leichte Sprache. CONCEPTERA bietet Dienstleistungen für Institutionen aller Altersbereiche und Zielgruppen im Sozialbereich sowie für Kantone und Gemeinden. Mit dem Ziel der bestmöglichen Begleitung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, Erwachsenen mit Beeinträchtigung bis hin zu älteren Menschen. Ist das Erziehungsverhalten schuld an Verhaltensauffälligkeiten von Kindern? "Daran ist alleine die Erziehung schuld!" Diese Aussage ist mir immer wieder begegnet. Ist da etwas dran? Die elterliche Erziehung spielt eine entscheidende Rolle für die verhaltensspezifische Entwicklung von Kindern. Sie hat einen entscheidenden Einfluss auf verschiedenste Bereiche der Entwicklung, zum Beispiel die inneren Konflikte, Abwehrmechanismen, Aggressivität, Schüchternheit sowie auch auf die Ausprägung und Entwicklung sozialer Kompetenzen. Die durch die Erziehung vermittelten Wertvorstellungen, Meinungen und Haltungen weisen für die Kinder einen prägenden Charakter auf. Grundsätzlich werden seit Diana Baumrinds Typologie drei Erziehungsstile unterschieden: Der autoritative, der autoritäre und der laissez-faire Erziehungsstil. Der letztgenannte wird seinerseits unterteilt in ein permissives und vernachlässigendes Erziehungsverhalten. Lesen Sie dazu den von mir kürzlich veröffentlichten Artikel. Zur Aufgabe der Eltern gehört es, ihren heranwachsenden Kindern soziale, kulturelle und gesellschaftliche Werte und Normen zu vermitteln, um zu gewährleisten, dass sie sich mit den Erwartungen und Anforderungen der Gesellschaft zurechtfinden. Welches Erziehungsverhalten sie dazu anwenden, ist stark abhängig von den Erfahrungen, die sie in ihren Herkunftsfamilien gemacht haben. Durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie werden Erziehungsstile einerseits weitergegeben oder andererseits bewusst durchbrochen. Sollen Kinder wieder strenger erzogen werden? Welchen Einfluss hat der Erziehungsstil auf Verhaltensauffälligkeiten? In diesem Artikel werden verschiedene Forschungsergebnisse zu dieser Frage verglichen, um zu beantworten, welchen Einfluss ein autoritärer im Vergleich zu einem autoritativen Erziehungsstil auf die Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten hat. Der Zusammenhang zwischen Kindesverhalten und autoritärem Erziehungsstil In zahlreichen Studien konnte ein Zusammenhang zwischen dem elterlichen Erziehungsverhalten und den Persönlichkeitsmerkmalen bzw. dem symptomatischen Verhalten des Kindes nachgewiesen werden. Eigenschaften wie Intelligenz, Kreativität, Leistungsmotivation, Selbstachtung und soziale Kompetenz, aber auch Selbstachtung, aggressives Verhalten, Hyperaktivität und emotionale Auffälligkeiten und sozio-emotionale Kompetenzen von Kindern weisen hohe Korrelationen zum Erziehungsstil auf, d.h. sie stehen in einem engen Zusammenhang mit diesem. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere eine starke Machtdurchsetzung vonseiten der Eltern – welche sich in autoritärem Erziehungsverhalten zeigt – oftmals mit problematischen Kindesverhaltensweisen einhergeht. Die Studie von Reichle und Franiek (2009) zum Beispiel zeigt höchst signifikante Zusammenhänge zwischen machtvoller Durchsetzung mit oppositionell-aggressivem Verhalten. Insbesondere bei Jungen besteht ausserdem eine hohe Korrelation mit Hyperaktivität und Kinder beider Geschlechter weisen bei einem autoritären Erziehungsstil niedrigere sozial-emotionalen Kompetenzen auf. Kellerhans (1994) beschreibt in seinem Artikel „Erziehungsstile in den heutigen Familien“ vor allem den Zusammenhang zwischen dem Erziehungsstil und der Selbstachtung. Unter Selbstachtung wird einerseits die Fähigkeit zur Einschätzung der persönlichen Kompetenz in verschiedenen Bereichen verstanden und andererseits die Einschätzung des Subjekts seiner Persönlichkeit im Vergleich zur sozialen Umgebung. Der Anteil an positiver Selbstachtung liegt bei Kindern und Jugendlichen unter dem Typus „autoritärer Stil“ lediglich bei 17%. Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass nicht einmal jeder Fünfte über eine angemessene, positive Selbstachtung verfügt. Wobei der Einfluss auf das Selbstwertgefühl höher ist, als der Einfluss auf das Kompetenzgefühl. Zudem steht die Selbstachtung bei den Knaben in einem engeren Zusammenhang mit dem Erziehungsstil, als bei den Mädchen. Wichtig ist des Weiteren zu erwähnen, dass die Selbstachtung unabhängig vom sozialen Milieu oder der Art des Familienzusammenhalts ist. Noack und Kracke (2003) haben die „wechselseitige Beeinflussung zwischen elterlichem Erziehungsstil und Problemverhalten bei Jugendlichen“ anhand einer Längsschnittstudie untersucht. Hinsichtlich der Delinquenz gab es einen grossen Unterschied zwischen den männlichen und weiblichen Untersuchungsteilnehmern, wobei die männlichen Versuchspersonen signifikant höhere Werte aufwiesen. Obwohl die Befundlage nicht eindeutig scheint, konnten insgesamt Delinquenz mindernde Einflüsse des autoritären Erziehungsverhaltens auf die Jugendlichen ausgemacht werden. Allerdings steigert ein autoritäres Erziehungsverhalten gleichzeitig die Aggressionstendenz. Zum Auftreten kann gesagt werden, dass der autoritäre Erziehungsstil eher in den unteren Schichten zu finden ist. Generell üben Unterschichteltern mehr Kontrolle, Zwang, Überwachung und Gewaltanwendung aus als Oberschichteltern, so Noah und Kracke (2003). Weiter scheint es, dass Eltern im mittleren Jugendalter autoritärer werden, und zwar insbesondere als Reaktion auf Problemverhalten. Zudem hängt der Erziehungsstil stark mit dem Zusammenhalt der Familie zusammen. Laut Kellerhans (1994) dominiert in den sogenannten „Festungs“-Familien der autoritäre Erziehungsstil. Die „Festungs“-Familien zeichnen sich dadurch aus, dass der Zusammenhalt der Mitglieder gross ist, dass die Wichtigkeit eines innerfamiliären Konsenses betont wird, und dass die Familie als Rückzugsgebiet betrachtet wird. Es kann somit festgehalten werden, dass verschiedene quer- und längsschnittliche Studien eine Korrelation zwischen problematischen Verhaltensweisen bei Kindern und Jugendlichen, wie Aggressivität, Hyperaktivität und emotionale Auffälligkeiten nachweisen konnten. Gleichzeitig gibt es auch eine Studie, die den autoritären Stil als Delinquenz mindernd beschreibt. Offen bleibt bei diesen Ergebnissen allerdings zu welchem Grad der Erziehungsstil eine Reaktion auf das Verhalten des Kindes ist oder inwiefern das Kindesverhalten durch den Erziehungsstil bedingt ist. Der Zusammenhang zwischen Kindesverhalten und autoritativem Erziehungsstil Die Längsschnittstudie des „National Institute of Child Health and Human Development“ konnte 2002 zeigen, dass Vorschulkinder, die in einem autoritativen Erziehungsumfeld aufwachsen, höhere vorschulische Fertigkeiten, bessere Sprachfertigkeiten, mehr soziale Fertigkeiten und weniger Verhaltensprobleme aufweisen. Aber auch bei Jugendlichen hängen erwünschte Verhaltensweisen stark mit dem autoritativen Erziehungsstil zusammen. Jugendliche, die unter diesem Stil aufwuchsen, erreichen bessere Leistungen in der Schule, sind weniger häufig depressiv oder ängstlich, verfügen über höhere Eigenständigkeit und einen höheren Selbstwert. Ausserdem zeigen sie weniger häufig Problemverhalten, wie Delinquenz oder Drogenmissbrauch. Kellerhans (1994) findet heraus, dass 40% aller Kinder und Jugendlichen, die unter einem autoritativen Erziehungsstil aufwachsen, über eine positive Selbstachtung verfügen. Weiter konnten Noack und Kracke (2003) zeigen, dass autoritative Erziehung eine Verringerung aggressiver Tendenzen nach sich zieht. Zudem sagt ein erhöhtes Ausmass an Delinquenz eine niedrigere Ausprägung der autoritativen Erziehung voraus. Das heisst je höher der autoritative Stil ausgeprägt ist, desto niedriger ist die Delinquenz. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass autoritative Erziehung Delinquenz und aggressiven Tendenzen entgegenwirkt und entwicklungsfördernd ist. Vergleich und Schlussfolgerung Während der autoritäre Erziehungsstil oft mit unerwünschten oder problematischen Verhaltensweisen einhergeht, korreliert der autoritative Erziehungsstil signifikant häufiger mit erwünschten Entwicklungen des Kindes. Es konnte gezeigt werden, dass autoritär erzogene Kinder vermehrt oppositionell-aggressives Verhalten aufzeigen und die Selbstachtung deutlich weniger stark ausgeprägt ist. Während 40% der Kinder unter autoritativem Einfluss eine positive Selbstachtung aufwiesen, waren es beim autoritären Erziehungsverhalten lediglich 17%. Im Gegensatz zur autoritären Erziehung, bei der die Aggressionstendenz eher zunimmt, zieht die autoritative Erziehung eine Verringerung aggressiver Tendenzen nach sich. Weiter sagt der autoritative Erziehungsstil eine tiefere Delinquenz voraus, während beim autoritären Erziehungsstil in einer längsschnittlichen Erhebung ein positiver Einfluss auf das Delinquenzverhalten nachgewiesen werden konnte. Ausserdem korreliert das autoritative Erziehungsverhalten mit zahlreichen anderen positiven Entwicklungen, die sich vor allem im schulischen aber auch im sozialen Bereich zeigen. Nebst der einen positiven Auswirkung des autoritären Erziehungsstils auf schon vorhandene Delinquenz konnten beim autoritären Erziehungsstil vermehrt problematische Kindesverhaltensweisen gefunden werden im Gegensatz zum autoritativen Stil. Autoritär erzogene Kinder zeigen deutlich mehr negative Verhaltensweisen, als Kinder die unter einem autoritativen Erziehungsstil aufwuchsen. Es kann allerdings nicht eindeutig festgestellt werden, dass das Verhalten durch den elterlichen Erziehungsstil herbeigeführt wird. Vielmehr sollte davon ausgegangen werden, dass Erziehung und Problemverhalten durch einen wechselseitigen Prozess miteinander verbunden sind. Das heisst, dass sich der Erziehungsstil nicht unilinear auf das Kindesverhalten bzw. die Kindesentwicklung auswirkt. Das Verhalten des Kindes – zum Beispiel sein Temperament – kann ebenso auf den Erziehungsstil einwirken. Ausserdem müssten die Altersgruppen differenzierter betrachtet werden. Es ist unwahrscheinlich anzunehmen, dass das optimale elterliche Erziehungsverhalten zu jedem Entwicklungszeitpunkt das Gleiche bleibt. Was bedeutet diese Schlussfolgerung nun für die Praxis? Der positive Zusammenhang zwischen autoritativem Erziehungsstil und wünschenswerten Verhaltensweisen und der Vergleich mit dem autoritären Erziehungsverhalten lässt darauf schliessen, dass es vorteilhaft für die Entwicklung des Kindes ist, autoritativ aufzuwachsen. Da dies vielen Eltern nicht bewusst ist, was sich in der Schweiz auch traditionell begründen lässt, wäre es in einem ersten Schritt wichtig, die Eltern vermehrt darüber in Kenntnis zu setzen. Untersuchungen von Eltern-Trainings haben durchaus positive Effekte gezeigt und es ist nachgewiesen, dass sich nur schon eine bewusste Erziehungshaltung der Eltern positiv auf das Kindesverhalten auswirkt. Besonders unterstützend könnten Elterntrainings sein, wenn das Kind oder der Jugendliche problematische Verhaltensweisen zeigt. Denn gerade dann, so haben Noack und Kracke (2003) gezeigt, neigen Eltern dazu autoritärer zu werden. Meist mit unerwünschten Folgen, da gerade in einer solchen Situation eher ein autoritativer Erziehungsstil dem Problemverhalten entgegenwirken würde. Literatur und Tipps Ecarius, J. (Hrsg.) (2007). Familienerziehung. In: Handbuch Familie. Heidelberg: Springer (S.137-156). Kellerhans, J. (1994). In: Familie. Sieben Beiträge. Institut für Sozialethik (S. 8-19). Maccoby, E. E. (2000). Parenting and its effects on children – On reading and misreading behavior genetics. Anual Review of Psychology, 1, 1-27. Noack, P. & Kracke, B. (2003). Elterliche Erziehung und Problemverhalten bei Jugendlichen – Analysen reziproker Effekte im Längsschnitt. Zeitschrift für Familienforschung, 1, 25-37. Ratzke, K., Gebhardt-Krempin, S. & Zander, B. (2008). Diagnostik der Erziehungsstile. In: Cierpka, M. (Hrsg.), Handbuch der Familiendiagnostik (3. Aufl.) Heidelberg: Springer (S. 242-255). Reichle, B. & Franiek, S. (2009). Erziehungsstil aus Elternsicht – Deutsche erweiterte Version des Alabama Parenting Questionnaire für Grundschulkinder. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 41 (1), 12-25. Wild, E. & Lorenz, F. (2009). Familie. In: Wild, E. & Möller J. (Hrsg.), Pädagogische Psychologie. Heidelberg: Springer (S. 235-259).
Behinderteninstitutionen sind herausgefordert: Selbstbestimmung von Klient*innen mit kognitiven Beeinträchtigungen auf der einen Seite und Sicherheit sowie eine gelingende Zusammenarbeit mit deren Angehörigen auf der anderen Seite.
Conceptera begleitet und berät soziale Institutionen bei der Entwicklung einer Haltung sowie von Handlungsgrundlagen zu diesem Thema. Dabei spielt das Erwachsenenschutzgesetz eine entscheidende Rolle. Für Magazin Inside der Stiftung arwo hat Sonja Gross im Juni 2021 ein Interview gegeben: Zur Person: Sonja Gross (31) hat Erziehungswissenschaft studiert und führt ihr eigenes Unternehmen Conceptera, eine Fachstelle für Konzeptarbeit im Sozialbereich. Der Geschäftsführer der arwo sagt selbstkritisch, dass die arwo die Änderungen im neuen Erwachsenenschutzrecht im Alltag noch zu wenig umgesetzt hat. Sie unterstützen Stiftungen in diesem Prozess. Wurde die Gesetzesänderung anderswo besser umgesetzt? Sonja Gross: Ich kenne keine Institution, die sie vollumfänglich super umgesetzt hat. Dafür hätte es wohl eine grössere Schulungsaktion der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) gebraucht. Wie kamen Sie dazu, Unternehmen bei der Umsetzung der neuen Gesetzesgrundlage zu unterstützen? Ich kam über die Konzeptarbeit dazu und unterstütze Stiftungen bei der Erarbeitung der Grundlagen der Begleitung und Betreuung. Eine vorhandene Grundlage alleine reicht jedoch nicht: Es ist wichtig nicht nur die Angestellten zu schulen, sondern auch die Angehörigen und die Betroffenen aufzuklären. Was sind die Hauptthemen, die im Zusammenhang mit der Selbstbestimmung immer wieder zu Unsicherheiten führen? Die Kleidung ist immer wieder ein Thema. Auch der Umgang mit der Sexualität ist heikel. Angehörigen argumentieren manchmal damit, ihr erwachsenes Kind hätte immer noch den Entwicklungsstand eines Siebenjährigen. Das stimmt, doch der Körper hat sich trotzdem entwickelt und damit bei Vielen auch die Lust. Vor allem ältere Angehörige haben zu diesem Thema öfters eine konservative Haltung. Aus rechtlicher Sicht ist es jedoch eine klare Sache: Sexualität gehört in den Bereich der «höchstpersönlichen Rechte, die einer Person um ihrer Persönlichkeit willen zustehen». Diese Rechte können auch von handlungsunfähigen Personen, zum Beispiel von Personen mit einer umfassenden Beistandschaft oder von minderjährigen Personen, wahrgenommen werden, falls sie urteilsfähig sind und durch niemanden vertreten werden. Wer entscheidet, ob eine Person urteilsfähig ist, also die Tragweite seines eigenen Handelns «vernunftgemäss» einschätzen kann? Grundsätzlich geht man von der Urteilsfähigkeit aus und muss begründen, wenn jemand in einer Sache nicht urteilsfähig ist. Deshalb, und weil Urteilsfähigkeit immer an eine spezifische Fragestellung und Entscheidung gebunden ist sowie sich verändern kann, kann die Urteilsfähigkeit einer Person auch nicht im Dispositiv (der von der KESB verfassten Anordnung in der Ernennungsurkunde, Anm. d. Red) festgehalten werden. Sondern sie muss situativ, am besten über verschiedene Zeitpunkte hinweg, beobachtet, erfragt und erhoben werden. Im Alltag ist die Urteilsfähigkeit zentral. Wenn zum Beispiel eine Begleitperson mit einem Klienten in einem Restaurant isst, kann er grundsätzlich selbst entscheiden, was er bestellt. Hat er aber eine lebensbedrohliche Allergie gegen Nüsse und will eine Nusstorte bestellen, muss die Begleitperson eingreifen, weil der Klient offensichtlich nicht einschätzen kann, was geschehen kann, wenn er den Kuchen isst. Beim Thema Freundschaft und Sexualität scheint es schwieriger zu sein, die Urteilsfähigkeit herauszufinden … Aber auch da gilt es zu bedenken, dass Selbstbestimmung ein Grundrecht ist und dass gemäss Bundesverfassung Freiheit und Selbstbestimmung die Regel und Beschränkung die Ausnahme sind. Will jemand zum ersten Mal beim Freund oder der Freundin übernachten, macht es allerdings Sinn im Gespräch vorgängig herauszufinden, ob beide dasselbe wollen und niemand vom anderen unter Druck gesetzt wird. Da die Einschätzung der Urteilsfähigkeit nicht in jedem Fall auf Anhieb eindeutig ist, müssen die Fachpersonen besonders gut hinschauen, reflektieren und dokumentieren. Auch andere Themen der Selbstbestimmung wären durchs Erwachsenenschutzrecht klar geregelt und sind trotzdem (noch) nicht umgesetzt – warum? Warum man dies nicht früher und konsequenter angegangen ist, kann ich nicht beurteilen. Ich vermute, dass es mit der gewissen Komplexität des Gesetzes zusammenhängt. Das neue Erwachsenenschutzgesetz von einem Tag auf den anderen konsequent umzusetzen, wäre allerdings eine Überforderung für alle Beteiligten auch für die Klient*innen. Viele, vor allem ältere Personen, haben früher nicht gelernt, selbst zu entscheiden und würden sich unsicher und überfordert fühlen, wenn sie auf einmal so vieles selbst bestimmen müssten. Auch die Angehörigen würde man vor den Kopf stossen, wenn man die Selbstbestimmung von einem Tag auf den andern umsetzen würde. Es ist ein Prozess, der Befähigung der Beteiligten, Vertrauen und Zeit braucht. Demenz - eine stark zunehmendes Phänomen und grosse Herausforderung für Alters- und Pflegeheime. Durchdachte Demenzkonzepte erhöhen nicht nur die Mitarbeiterzufriedenheit, sondern auch die Lebensqualität der Bewohnenden und dienen als Grundlage für die Qualitätssicherung und -entwicklung. Ich freue mich, dass die Schweizer Gemeinde dieses wichtige Thema aufgenommen und meinen Artikel zum Beispiel des Pflegeheims Lichtblick, der Gemeinnützigen Stiftung Eulachtal in Elgg, diesen Monat veröffentlicht hat. Die elterliche Erziehung spielt eine entscheidende Rolle für die Entwicklung von Kindern. Psychoanalytische Theorien betonen vor allem seit dem zwanzigsten Jahrhundert die Wichtigkeit von frühkindlichen Erfahrungen in den Familien. Diese Erfahrungen haben einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung von inneren Konflikten, Abwehrmechanismen und die Verinnerlichung von Werten und Normen. In diesem Artikel fasse ich für Sie zusammen was unter dem Begriff Erziehungsstil zu verstehen ist und welche Formen hierzu bekannt sind. Erziehungsstile Einleitend möchte ich gerne kurz aus wissenschaftlicher Sicht auf den Begriff «Erziehungsstil» eingehen. Unter dem Begriff Erziehungsstil wird eine relativ verfestigte situations- und zeitübergreifende Reaktion der Eltern, gegenüber ihren Kindern verstanden. Der Erziehungsstil lässt sich damit als eine übergeordnete Kategorie auffassen, die sowohl Erziehungseinstellungen, Erziehungsziele und Erziehungspraktiken beinhaltet. Ratzke, Gebhardt-Krempin und Zander (2008) definieren die elterliche Erziehungseinstellung als sogenannte Erlebensdispositionen, die auf der Erlebens- und Verhaltensebene die Qualität und Intensität der Eltern-Kind-Beziehung widerspiegeln. Einige Beispiele von Erlebensdispositionen sind das Mass an elterlicher Permissivität, Zärtlichkeit oder das Einfühlungsvermögen. Mit elterlichen Erziehungszielen hingegen sind Sollvorstellungen oder –anforderungen gemeint, welche Eltern im Erleben und Handeln ihrer Kinder realisiert haben wollen. Zu solchen Zielen gehören beispielsweise Normen, Selbstständigkeit und Leistungsorientierung. Elterliche Erziehungspraktiken beinhalten im Gegensatz zur Erziehungseinstellung und zu den Erziehungszielen, „konkrete verbale und nonverbale Handlungen der Eltern gegenüber ihren Kindern in bestimmten erziehungsrelevanten Situationen“. Beispiele hierfür sind Belohnungen für ein gewünschtes und Bestrafung für ein unerwünschtes Verhalten. Grundsätzlich werden beim elterlichen Erziehungsverhalten die beiden Variablen Emotionalität und Kontrolle als Grunddimensionen angesehen. Ergänzt werden diese durch die Konsistenz und die Konsequenzen im Erziehungsmilieu. Entscheidend ist somit die Qualität der emotionalen familiären Beziehung und wie Eltern ihre Emotionen und Kontrollmechanismen kommunizieren und begründen. Die amerikanische Psychologin Diana Baumrind hat um die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts mehrere Studien über die Verhaltensmuster von Eltern und ihren Kindern durchgeführt. Bei ihren Untersuchungen achtete sie auf die Funktionalität von elterlichen Erziehungspraktiken und deren Auswirkungen auf mehr oder weniger kompetente Heranwachsende. Kompetenz definierte Baumrind anhand zweier Kriterien: Einerseits müssen soziales Verantwortungsbewusstsein sowie soziale Fertigkeiten vorhanden sein und andererseits eine gewisse Unabhängigkeit und Selbstständigkeit. Aus ihren Studien leitete sie schliesslich drei grundlegende Erziehungsstile ab, welche im Folgendem genauer illustriert werden. Der autoritäre Erziehungsstil Eltern, die einen autoritären Erziehungsstil anwenden, versuchen das Verhalten und die Einstellungen ihrer Kinder zu formen und zu kontrollieren. Dabei orientieren sie sich an religiösen Normen, moralischen Vorstellungen oder an sozialen Konventionen. Von essenzieller Bedeutung beim autoritären Erziehungsstil sind traditionelle Werte wie Respekt und Gehorsamkeit gegenüber den Eltern. Es werden kontrollierende Verhaltensweisen als notwendig erachtet und gegebenenfalls auch unangemessenes Verhalten bestraft. Die Entscheidungsgewalt liegt ausschliesslich bei den Eltern, wobei den Kindern ebenfalls ihre Freizeitgestaltung vorgeschrieben wird. Reichle und Franiek (2009) haben in ihrer Studie den autoritären Erziehungsstil als „Machtvolle Durchsetzung“ bezeichnet. Darunter verstehen sie einen rauen und barschen Erziehungsstil, der mit Überreaktionen, Emotionaler negativen Stimmungen sowie mit Zwangs- und Kontrollaspekten verbunden ist. Sie setzen autoritäres Erziehungsverhalten dabei gleich mit dem Fehlen eines positiven Elternverhaltens. Dominierend sind sieben Dimensionen, die den Erziehungsstil auszeichnen: 1. Die Eltern haben die Entscheidungsmacht. 2. Es herrschen starre und unflexible Regeln. 3. Befehle sind häufig. 4. Über die Interessen der Kinder wird hinweggesehen. 5. Nebenwirkungen werden in Kauf genommen. 6. Eine starke Kontrollausübung ist wichtig und schliesslich 7. Es werden harte Bestrafungen – jedoch nicht in körperlicher Hinsicht – eingesetzt. Der autoritative Erziehungsstil In der autoritativen Erziehung begründen Eltern ihre Entscheidungen gegenüber ihren Kindern und erwarten ebenfalls Gehorsamkeit. Es werden Verhaltensstandards formuliert, welche die Kinder zu erfüllen haben. Im Gegensatz zur autoritären Erziehung begründen die Eltern diese Standards und wenden Restriktionen an, ohne die individuellen Wünsche der Kinder zu missachten. Eltern leiten somit ihre Kinder, indem sie ihr Verhalten und ihre Entscheidungen erklären. Beim autoritativen Erziehungsstil weisen die Eltern ein konsistentes Verhalten auf und folgen ihren normativen Überzeugungen und Ansprüchen. Zudem erwarten sie von ihren Kindern, dass sie zum Familienwohl beitragen, indem sie beispielsweise im Haushalt mithelfen. In Bezug auf die Eltern-Kind-Beziehung sind autoritative Eltern sehr fürsorglich, haben eine starke emotionale Verbindung zu ihren Kindern und unterstützen sie sowohl bei schulischen Anforderungen als auch bei ihren persönlichen Interessen. Der laissez-faire Erziehungsstil Der laissez-faire Erziehungsstil wurde von Baumrind in Bezug auf Familien in zwei Unterkategorien unterteilt. Dabei differenzierte sie zwischen einem permissiven und einem vernachlässigendem Erziehungsverhalten. Merkmale des permissiven Erziehungsstils Eltern, die ihre Kinder permissiv erziehen, verhalten sich meist liebevoll und unterstützend ihren Kindern gegenüber. Die Eltern verzichten grundsätzlich auf Strafen und autoritäre Durchsetzungspraktiken und begegnen ihren Kindern mit grosser Akzeptanz. Zudem werden Konfrontationen vermieden und es wird darauf verzichtet Grenzen konsequent durchzusetzen. Die Kinder sind hierbei von nahezu allen Zwängen befreit. Unter permissiv wird somit eine Erziehung verstanden, die einen geringen Anforderungs- und Kontrollcharakter aufweist und gekennzeichnet ist von akzeptierendem, sensiblem und kinderzentriertem Verhalten. Merkmale des vernachlässigenden Erziehungsstils Der vernachlässigende Erziehungsstil gleicht auf den ersten Blick dem permissiven, da von den Eltern ebenso keine Grenzen auferlegt werden und keine etablierten Strukturen vorhanden sind. Im Unterschied zum permissiven Erziehungsstil fehlt jedoch eine emotionale Bindung zwischen Kind und Eltern. Diese emotionale Kälte kann im Extremfall zur Kindesmisshandlung führen. Reichle und Franiek sehen vernachlässigendes Verhalten als „ablehnend, wenig sensibel, elternzentriert und ohne Anforderung und Kontrolle“ an. Der Erziehungsstil - Resultat der eigenen Erfahrungen Welches Erziehungsverhalten Eltern anwenden, hängt stark ab von den Erfahrungen, die sie in ihren Herkunftsfamilien gemacht haben. Durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie werden Erziehungsstile einerseits weitergegeben oder andererseits bewusst durchbrochen. Die durch die Erziehung vermittelten Wertvorstellungen, Meinungen und Haltungen weisen für die Kinder einen prägenden Charakter auf. Zur Aufgabe der Eltern gehört es somit, ihren heranwachsenden Kindern soziale, kulturelle und gesellschaftliche Werte und Normen zu vermitteln, um zu gewährleisten, dass sie sich mit den Erwartungen und Anforderungen der Gesellschaft zurechtfinden. Hierzu ist zu beachten, dass Erziehungsstile abhängig sind von diesen Normen und Werten, wobei auch die persönlichen Eigenschaften der Eltern eine essenzielle Rolle spielen. Literatur und Tipps Ecarius, J. (Hrsg.) (2007). Familienerziehung. In: Handbuch Familie. Heidelberg: Springer (S.137-156). Kellerhans, J. (1994). In: Familie. Sieben Beiträge. Institut für Sozialethik (S. 8-19). Maccoby, E. E. (2000). Parenting and its effects on children – On reading and misreading behavior genetics. Anual Review of Psychology, 1, 1-27. Noack, P. & Kracke, B. (2003). Elterliche Erziehung und Problemverhalten bei Jugendlichen – Analysen reziproker Effekte im Längsschnitt. Zeitschrift für Familienforschung, 1, 25-37. Ratzke, K., Gebhardt-Krempin, S. & Zander, B. (2008). Diagnostik der Erziehungsstile. In: Cierpka, M. (Hrsg.), Handbuch der Familiendiagnostik (3. Aufl.) Heidelberg: Springer (S. 242-255). Reichle, B. & Franiek, S. (2009). Erziehungsstil aus Elternsicht – Deutsche erweiterte Version des Alabama Parenting Questionnaire für Grundschulkinder. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 41 (1), 12-25. Wild, E. & Lorenz, F. (2009). Familie. In: Wild, E. & Möller J. (Hrsg.), Pädagogische Psychologie. Heidelberg: Springer (S. 235-259).
Jeder von uns verbindet mit dem Begriff «Geistige Behinderung» vermutlich etwas anderes. Aber wie wird geistige Behinderung überhaupt genau definiert? Und wer gilt eigentlich als geistig behindert und wer nicht? Auf diese komplexe Fragen möchte ich in diesem Artikel näher eingehen. Der Begriff geistige Behinderung Der Begriff «geistige Behinderung» wird erst seit Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts verwendet. Gerne möchte ich die Entwicklung bis zu diesem Zeitpunkt kurz skizzieren, weil dadurch auch deutlich wird, wie sehr doch die Begriffe von Gesellschaft und Kultur geprägt werden. Menschen mit einer «geistigen Behinderung» gab es schon immer. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die Bezeichnungen für Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen immer wieder verändert. Bereits um Christi Geburt wurden solche Kinder als «Strafe der Götter» angesehen und bereits Neugeborene getötet. Wer am Leben blieb, wurde meist versklavt. Im Mittelalter sprach man von «Wechselbälgern»; so predigte etwa Luther, dass die betroffenen Kinder als Säuglinge vom Teufel ausgetauscht worden und «geistig Tote» seien. Vielfach wurden sie verstossen, verkauft und versklavt und in Rahmen von Hexenprozessen gequält und hingerichtet. Um zu überleben, mussten die Betroffenen betteln, zogen mit Gauklern umher und wurden als »Krüppel« oder »Missgeburten« zur Schau gestellt. Noch bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts war es üblich, für Menschen mit einer Beeinträchtigung Begriffe wie «Idioten», «Geistesschwache», «Imbezile» oder «Schwachsinnige» zu verwenden. Häufig wurden die Betroffenen entweder von ihren Familien versorgt oder in sogenannten Narrenhäusern oder Tollkoben untergebracht, in denen Geisteskranke wie auch Geistesschwache untergebracht wurden. Unter den Nationalsozialisten in Deutschland erfolgten 1920 und 1945 systematische Zwangsterilisationen und Tötungsaktionen von Kranken und Menschen mit körperlicher und geistiger Beeinträchtigung, deren Leben als »unwert« eingeordnet wurde. Im Rahmen des sog. »Euthanasie- und Gnadentodprogramms« wurde ihre Ermordung gezielt geplant, um die arische Rasse von jeglichem »Makel zu befreien«. Und noch heute sind die Folgen dieser Gräueltaten sichtbar: In Deutschland und Österreich gibt es im Vergleich zu anderen europäischen Staaten nur eine geringe Zahl von Menschen mit Beeinträchtigung, die vor dem Kriegsende 1945 geboren wurden. Im Jahr 1958 wird durch die deutsche Elternvereinigung Lebenshilfe der Begriff «geistige Behinderung» eingeführt – nicht zuletzt mit der Absicht, die Stigmatisierungen durch die bis dahin verwendeten Begriffe zu vermeiden. Heute werden die Begriffe «geistige Behinderung», «kognitive Behinderung» oder «kognitive Beeinträchtigung» oftmals gleichbedeutend verwendet. Wobei Betroffene häufig den Begriff Lernbeeinträchtigung vorziehen – was auch verständlich wird, wenn wir einen Blick auf die Diagnose, respektive die Diagnosesysteme werfen. Diagnose und Diagnosesysteme Die Wissenschaft, aber auch die Politik und Versicherungen arbeiten gerne mit eindeutigen Begriffen und Diagnosen, etwa um Vergleichsmöglichkeiten wissenschaftlicher Untersuchungen schaffen oder finanzielle Unterstützungen rechtfertigen zu können. Eine eindeutige und allgemein akzeptierte Definition davon, was eine geistige Behinderung eigentlich ist, ist jedoch schwierig. Denn diese umfasst ein weites Feld und keine einheitliche Gruppe mit fest umschreibbaren Eigenschaften. Einig ist man sich lediglich in der Annahme, dass geistige Behinderung gekennzeichnet ist durch eine tiefere Intelligenz sowie durch eine Beeinträchtigung der sozialen Kompetenz. Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Sichtweisen auf geistige Behinderung:
Die Klinisch-psychologische Sichtweise Klinisch-psychologisch besteht das Ziel darin, international übereinstimmende Kriterien und Bezeichnungen für psychische Störungen zu erstellen, um dadurch zu einem länderübergreifend einheitlichen Verständnis beizutragen und die wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnisse über die ganze Welt hinweg vergleichbar und anwendbar zu machen. Für diesen Zweck wurden Klassifikationssysteme erarbeitet. Dazu gehören das ICD-10 (internationale Klassifikation psychischer Störungen) und das DSM-IV (diagnostische und statistische Manual psychischer Störungen). Als geistig behindert gilt demnach, wer einen IQ unter einem festgelegten Wert hat. Dabei gibt es aber verschiedene Problematiken bei der Diagnose: Die dafür festgelegten Werte im ICD-10 und im DSM-IV sind nicht deckungsgleich. Darüber hinaus sind sie sehr hoch: Im ICD-10 liegt der Wert bei 70. Dieser Wert entspricht jedoch dem Niveau der 6. Klasse, weshalb diese Definition von geistiger Behinderung eher befremdlich erscheint. Und zu Recht bestehen Menschen mit einer «geistigen Behinderung» vielfach darauf, dass sie eine Lernbehinderung haben und keine geistige Behinderung. Weitere Problematiken ergeben sich aus der Testsicherheit: Je nach Test fällt die Einstufung anders aus und je tiefer der IQ ist, desto unzuverlässiger bzw. unzureichender ist die Aussage der Tests. Ausserdem sind zwar soziale Kompetenzen zur Charakterisierung einer geistigen Behinderung definiert, jedoch lassen sich diese nur schwer konkretisieren und diagnostisch erfassen. Und schliesslich muss darauf hingewiesen werden, dass geistige Behinderung weder eine Krankheit noch eine psychische Störung ist. Der Widerspruch, diese dennoch in einem Klassifikationssystem für psychische Störungen zu erfassen, ergibt sich wahrscheinlich aus einer Übersetzungsproblematik. Die schulisch-sonderpädagogische Sichtweise Diese Sichtweise stammt, wie es der Titel bereits vermuten lässt, aus dem schulischen Bereich. Vor diesem Hintergrund wird als geistig behindert angesehen, wer über «erheblich unter der altersgemässen Erwartungsnorm liegende Lernverhaltensweisen und Lernmöglichkeiten verfügt» und nicht mehr ausreichend in einer regulären Schule gefördert werden kann. Ziel dieser Sichtweise ist, dass die Betroffenen spezielle Lernziele, Lehr- und Unterrichtsmaterialien ausserhalb der regulären Schule erhalten. Die Problematik aufgrund dieser Diagnose und Definition besteht darin, dass ob jemand als geistig behindert gilt, in hohem Masse davon abhängig ist, wie viele Sonderschulplätze in der gegebenen Region vorhanden sind. So zeigt sich, dass es in Regionen, in denen es weniger Sonderschulen gibt, auch weniger Kinder mit einer geistigen Behinderung gibt. Was bestimmt nicht an der Anzahl der Kinder liegt. Fazit Beim Schreiben dieses Artikels wurde mir einmal mehr deutlich, wie sehr solche Kategorien wie «geistig behindert» künstlich konstruiert sind. Ich schliesse mich Hermann Meyer (2003) an, der Kritik an beiden Diagnosesystemen übt und schreibt: Niemand sollte als geistig behindert bezeichnet werden, weil er eine entsprechende Schule besucht hat oder in einer Behinderteneinrichtung wohnt oder arbeitet. Geistige Behinderung sollte aber auch nicht mit einer Störung oder einer klinischen Krankheit gleichgesetzt werden, wie es in den Klassifikationssystemen der Fall ist. Das bedeutet keineswegs, dass der Begriff nicht wichtig ist oder nicht mehr verwendet werden soll, aber es zeigt sehr wohl, wie wichtig es ist, stets sorgfältig und bewusst mit diesem Begriff umzugehen und auch immer wieder zu hinterfragen, ob, wo und wann er geeignet bzw. gerechtfertigt ist. Literatur und Links Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10, 2020). DIMDI. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information. Online: https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2020/ (letzter Zugriff am 23.9.2020) Meyer, Hermann (2003): Geistige Behinderung – Terminologie und Begriffsverständnis. In: Irblich, Dieter/Stahl, Burkhard (Hrsg.): Menschen mit geistiger Behinderung. Bern: Hogrefe.
Elrike ist 35 Jahre alt und hat eine kognitive Beeinträchtigung. Schon seit ihrer Kindheit hat sie Angst vor Wasser und duscht aus diesem Grund nicht gerne. In den letzten Monaten hat die Abneigung gegen das Duschen stark zugenommen – Elrike weigert sich, sich unter fliessendes Wasser zu stellen. Dies führt zu strengem Körpergeruch, aber auch dazu, dass sie sich ständig am Kopf kratzt, weil es sie so juckt. Was sollen die Fachpersonen tun? Sollen sie Elrike gegen ihren Willen duschen? Heinz ist 85 und hat fortgeschrittene Demenz. In der Nacht wacht er oft orientierungslos auf. Dabei ist er schon mehrfach aus dem Bett gefallen und hat sich dabei verschiedene Verletzungen zugezogen. Wäre ein Bettgitter angebracht? Heidi ist 21 Jahre alt und hat eine kognitive Beeinträchtigung. Gerne möchte sie leben wie andere Gleichaltrige. Besonders geniesst sie es, allein mit dem Bus zu fahren. Dabei hat sie sich schon mehr als einmal verfahren und den Weg nach Hause nicht mehr gefunden. Letzte Woche ist sie von einem Auto angefahren worden, weil sie gedankenlos mitten auf der Strasse spaziert ist. Die Eltern von Heidi fordern von der Institution, dass diese Heidi nicht mehr allein rausgehen lässt. Wie soll die Geschäftsleitung entscheiden? Alle diese Beispiele haben etwas gemeinsam: Es handelt sich um ethische Dilemmata, die auf Anhieb nicht so einfach zu lösen sind. Jede Institution sieht sich früher oder später mit solchen Herausforderungen konfrontiert. Es macht deshalb Sinn, sich mit den Grundlagen ethischer Entscheidungsfindung auseinanderzusetzen und diese konzeptionell zu verankern. Mit einer solchen Handlungsgrundlage schaffen Sie Klarheit, geben dem Fachpersonal Orientierung und können ihr Handeln begründen und sich im Zweifelsfall rechtfertigen. In diesem Artikel möchte ich Ihnen einige grundlegende Überlegungen zur Erarbeitung eines Ethikkonzeptes vorstellen. Definition: Was ist Ethik? Das Wirtschaftslexikon Gabler definiert Ethik wie folgt: «Ethik ist die Lehre bzw. Theorie vom Handeln gemäss der Unterscheidung von gut und böse.» Ethik stimmt nicht immer mit den Gesetzen oder der Moral überein. Die Moral beschreibt hauptsächlich Handlungen, die ein Mensch oder eine Gesellschaft von anderen Mitmenschen erwartet und sorgt damit dafür, dass Menschen ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen. Die Moral ist stark abhängig vom jeweiligen Kulturkreis. So gilt es zum Beispiel in der Schweiz als moralisch korrekt, pünktlich zu sein. Ethik (griechisch Ethos = Sitte, Charakter) ist die Lehre vom richtigen Verhalten. Im Unterschied zur Moral geht es in der Ethik darum herauszufinden und zu begründen, welche Handlungsmöglichkeit in einer bestimmten Situation die beste ist. Dazu muss zwischen verschiedenen Werten, Gütern, Interessen und/oder zwischen dem Anspruch konkurrierender ethischer Prinzipien abgewägt werden. Eine ethische Entscheidung sollte sich sowohl an den ethischen Prinzipien als auch an Werten und Normen der Gesellschaft orientieren. Die angewandte Ethik befasst sich mit genau dieser Herausforderung in der beruflichen Praxis. Ethische Dilemmata in sozialen Institutionen Ethische Dilemmata in sozialen Institutionen bewegen sich häufig im Spannungsfeld zwischen Freiheit, Selbstbestimmung und Teilhabe auf der einen und Sicherheit und Fürsorge auf der anderen Seite. Angehörige und Institutionen sind bestrebt, dass ihren Kindern bzw. Klient*innen nichts zustösst. Sie sollen gesund sein und bleiben und sich nicht verletzen. Was wäre das wohl für ein Skandal, wenn Heidi beim Autounfall tödlich verunglückt wäre und das, obwohl doch bekannt war, dass sie nicht in der Lage war, den Verkehr adäquat einzuschätzen? Demgegenüber steht der Wunsch von Heidi, ihr Selbstbestimmungsrecht und die Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention auf Gleichberechtigung und Teilhabe. Einer so jungen Frau zu verbieten, sich allein fortzubewegen, wäre dies nicht massiv hinderlich für ihre Entwicklung und Lebensqualität? Institutionen bewegen sich in diesem Spannungsfeld zwischen Verantwortung/Sicherheitsdenken und Entwicklungsförderung, in dem ethische Dilemmasituationen vorprogrammiert sind. Von einem ethischen Dilemma spricht man, wenn sich die Handelnden mehreren, gleichermassen verpflichtenden Forderungen gegenübersehen, welche sich gegenseitig ausschliessen, so dass, egal wie man sich entscheidet, Werte, die es eigentlich zu berücksichtigen gilt, verletzt werden. Egal welche Entscheidung man trifft – man geht ein Risiko ein und bietet Angriffsfläche für Kritik. Umso wichtiger ist es, dass Sie Ihre Entscheidungen professionell begründen können. Ethische Prinzipien Als Grundlage für eine ethische Entscheidungsfindung sind vor allem die 4 «Prinzipien der biomedizinischen Ethik» von Tom L. Beauchamp und James F. Childress als normative Grössen bekannt geworden.
Chancen und Grenzen eines Ethikkonzeptes Ein Ethikkonzept kann keine Handlungsanleitungen für spezifische Situationen geben. Aber es kann durch das Festhalten allgemein gültiger Prinzipien sowie eines festgelegten Ablaufs der ethischen Entscheidungsfindung in der Institution eine Grundlage für ethisch fundierte Entscheidungen bieten. Damit gibt es dem Fachpersonal Sicherheit und Orientierung, dient als Informationsquelle und Argumentarium gegenüber Klient*innen, Angehörigen und Dritten, dient als zentrales Instrument zur Qualitätssicherung und -weiterentwicklung und ist ein Zeichen für aussenstehende Personen, dass die Institution sich verantwortungsvoll, professionell und transparent mit ethischen Fragestellungen auseinandersetzt. Literatur und Tipps Beauchamp, T. L. & Childress, J. F.: Principles of Biomedical Ethics. 6th Edition. Oxford University Press 2008 Curaviva (2010): Grundlagen für verantwortliches Handeln in Heimen und Institutionen. Online: www.curaviva.ch. Schmid, Peter (2011): EPOS – ethische Prozesse in Organisationen im Sozialbereich. Luzern, Curaviva.
Jede Institution sollte sich Gedanken machen und eine fundierte Haltung entwickeln bezüglich ihrer Zusammenarbeit mit den Angehörigen der Klient*innen. Was sind die Ziele? Was zeichnet gelungene Angehörigenarbeit aus? Wie und durch wen wird sie gestaltet? Gelungene Angehörigenarbeit trägt massgeblich bei zur Gesundheit der Klient*innen, Anzahl der Neukund*innen sowie zur Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Im Umkehrschluss ist eine misslungene Angehörigenarbeit zum Beispiel daran erkennbar, dass die Angehörigen weniger oder nicht zu Besuch kommen, die Angehörigen die Mitarbeitenden nicht ansprechen, viele Beschwerden reinkommen, die Mitarbeitenden schlecht über die Angehörigen sprechen und schliesslich das Image der Institution leidet. Bedeutung der Angehörigen Zu den Angehörigen zählen zum Beispiel die (Ehe-)Partner*innen der Klient*innen, ihre Kinder, Enkelkinder, Geschwister und weitere Verwandte sowie andere Personen, die mit der Person eng verbunden sind. Diese Personen sind für die Klient*innen oftmals das Bindeglied zwischen der jetzigen Lebenswelt und ihrem früheren, vertrauten Leben. Die Kontinuität dieser Beziehung(en) gibt den Bewohnenden emotionale Sicherheit. Des Weiteren verfügen die Angehörigen durch die langjährigen Beziehungen über viele Kenntnisse und über den Klienten oder die Klientin, die eine wertvolle Ressource darstellen und wichtige und hilfreiche Hinweise für die Pflege und Betreuung des Bewohnenden geben. Gerade dieses vertiefte Wissen und das hohe Engagement bergen aber auch viel Konfliktpotenzial. Ungelöste Konflikte schaden nicht nur der Reputation bzw. dem Image der Institution, sondern wirken sich auch mittelbar emotional auf die betroffenen Klient*innen aus. Dies kann sich beispielsweise ausdrücken in Verhaltensauffälligkeiten, Wut oder Depressionen. Gelingt es, die Konflikte gemeinsam anzugehen und zu lösen, kann dies massgeblich zur qualitativen Weiterentwicklung und Professionalisierung der Institution beitragen. Alles gute Gründe, sich proaktiv mit dem Thema Angehörigenarbeit auseinanderzusetzen und wichtige Grundlagen für Struktur und Prozess festzuhalten. Im Folgenden möchte ich Ihnen einige Themen in Bezug auf Angehörigenarbeit vorstellen, die es sich, aus meiner Sicht, lohnt, näher zu erläutern. Zugrundeliegende Haltung Was ist für Sie die zugrundeliegende Haltung? Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitenden, aber auch von den Angehörigen in Bezug auf die Zusammenarbeit? Hier gibt es viele verschiedene Ansätze aus der Kommunikationslehre, die in Betracht gezogen werden können. Zum Beispiel: Offenheit, Einfühlungsvermögen, Respekt, Transparenz, Achtsamkeit, Lösungsorientierung oder aktives Zuhören. Auch wenn sich alle sehr überzeugend und gleichermassen wichtig anhören, macht es durchaus Sinn, sich auf 1 bis 3 Schwerpunkte festzulegen, um diese als Basis für Weiterbildungen, Rückmeldungen im Team, Mitarbeiterziele, aber auch für die Information an die Angehörigen zu verwenden. Information der Angehörigen Eine der wichtigsten Voraussetzungen für gelingende Zusammenarbeit ist eine funktionierender gegenseitiger Austausch von Information. Durch regelmässigen Informationsaustausch kann Missverständnissen vorgebeugt werden und eine positive Vertrauensbasis geschaffen werden. Nicht nur über die finanziellen Bedingungen, sondern auch über viele weitere Rahmenbedingungen wie Gestaltungsmöglichkeiten, Erwartungen, Zuständigkeiten, Alltagsabläufe sollte transparent Auskunft gegeben werden. Es gilt also sich zu überlegen, auf welchem Weg die Angehörigen worüber und in welchen Abständen informiert werden. Die Hauptfragen dazu lauten:
Als Medien für die Informationsweitergabe bieten sich unter anderem folgende Mittel an:
Wichtig ist immer die zielgruppenadäquate Kommunikation. Die Ausdrucksweise, egal ob mündlich oder schriftlich, sollte unbedingt den Möglichkeiten der Angehörigen angepasst werden. Gegenseitiger Informationsaustausch, Kontakt-/ Beziehungspflege Eine gute Zusammenarbeit setzt allerdings einen beidseitigen Informationsaustausch voraus. Insbesondere beim Eintritt lohnt es sich bei den Angehörigen systematisch Informationen abzuholen und zu dokumentieren. Dabei handelt es sich allerdings um einen stetigen Prozess, der danach nicht abgeschlossen ist und im Alltag weitergelebt werden muss. Um dies zu gewährleisten sind verschiedene Massnahmen denkbar, zum Beispiel:
Eine weitere Möglichkeit, insbesondere in Institutionen, in denen kein Bewohner*innenrat zustande kommt, beispielsweise aufgrund einer hohen Demenzrate, ist die Gründung eines Angehörigenbeirats. In diesem dienen freiwillige Angehörige als Ansprechpartner*innen für andere Angehörige, indem sie beispielsweise eine «Patenschaft» für neue Angehörige übernehmen. Ausserdem dienen sie als Vermittler bei Konflikten oder können Selbsthilfegruppen organisieren. Beschwerdemanagement Zu Beginn dieses Artikels habe ich darauf hingewiesen, wie negativ sich Spannungen und Konflikte sowohl auf die Bewohnenden als auch auf die gesamte Institution auswirken können. Durch einen gut geregelten Umgang mit Anliegen und Beschwerden können Konflikte frühzeitig aufgelöst werden und das Entwicklungspotenzial, das für die Institution daraus entsteht, genutzt werden. Das Beschwerdemanagement sollte möglichst einsetzen, bevor sich die Situation verschärfen kann. Voraussetzung hierfür ist offen zu sein für Kritik und für eine positive Fehlerkultur. Die Institution muss ausdrücklich festhalten und darüber informieren, dass Kritik gewünscht ist und die Haltung vertreten, dass niemand perfekt ist und Fehler passieren können und sogar müssen, um sich weiterzuentwickeln. Auch sollte betont werden, dass es nicht darum geht nach Schuldigen, sondern nach guten Lösungen zu suchen. Für ein gelingendes Beschwerdemanagement sollte ausserdem transparent für beide Seiten festgehalten werden:
Schulung des Personals Damit die im Konzept festgehaltenen Überlegungen im Alltag gelebt werden können, muss das Personal mitziehen. Dazu empfiehlt sich eine solide Einführung und Schulung des Personals im Umgang mit Angehörigen, im Umgang mit Kritik und Beschwerden, den Rollen und Verantwortlichkeiten sowie der Gesprächsführung. Quellen und Literatur Daneke, Sigrid (2010): Achtung, Angehörige! Kommunikationstipps und wichtige Standards für Pflege- und Leitungskräfte. Hannover: Schlütersche. Ugolini, Bettina (2014): Umgang mit Angehörigen: Wie Institutionen der Alterspflege wertschätzend mit Wünschen, Anliegen und Beschwerden von Angehörigen umgehen können – ein Leitfaden. Bern: Curaviva.
|
Sonja Gross Master of Arts in Erziehungswissenschaft
Sie brauchen ein neues Institutionskonzept, Begleitkonzept oder möchten Ihre Angebotsbeschreibungen und Arbeitsanweisungen überarbeiten?
Oder Informationen in Leichter(er) Sprache? Holen Sie sich massgeschneiderte, professionelle Unterstützung und entspannen Sie! Interessiert an einer Weiterbildung zu diesem Thema?
CONCEPTERA bietet Kurse, E-Learnings, Workshops und Vorträge an. Bleib auf dem Laufendem mit dem Newsletter:
Themen
Alle
Archiv
Dezember 2024
|